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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Orden an und übergebe der Behörde die Meldung von Eurem freiwilligen Ausscheiden aus dem Amt. Weiter kann ich Euch nicht entgegenkommen, Josef Knecht.«
    Der Glasperlenspielmeister machte eine Gebärde der Ergebenheit. Dann sagte er still: »Ich danke Euch, Herr Vorstand. Das Kästchen habe ich Euch schon anvertraut. Ich übergebe Euch zu Händen der Behörde nun auch meine paar Aufzeichnungen über den Stand der Dinge in Waldzell, vor allem über die Repetentenschaft und jene paar Personen, von welchen ich glaube, daß sie als Nachfolger in meinem Amt vor allem in Betracht kommen.«
    Er zog ein paar gefaltete Blätter aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Dann stand er auf, auch der Vorstand erhob sich. Knecht trat auf ihn zu, blickte ihm lang mit trauriger Freundlichkeit in die Augen, verneigte sich und sagte: »Ich hatte Euch bitten wol
len, mir zum Abschied die Hand zu geben, darauf muß ich nun wohl verzichten. Ihr seid mir immer besonders teuer gewesen, auch der heutige Tag hat daran nichts geändert. Lebet wohl, mein Lieber und Verehrter.«
    Alexander stand still, etwas bleich; einen Augenblick sah es aus, als wolle er die Hand erheben und sie dem Scheidenden reichen. Er fühlte, daß ihm die Augen feucht wurden; da neigte er den Kopf, erwiderte Knechts Verbeugung und ließ ihn gehen.
    Als der Fortgehende die Tür hinter sich geschlossen hatte, blieb der Vorstand unbeweglich stehen und horchte auf die sich entfernenden Schritte, und als der letzte verklungen und nichts mehr zu hören war, ging er eine Weile quer durchs Zimmer auf und ab, bis draußen wieder Schritte tönten und leise an die Tür gepocht wurde. Der junge Diener trat ein und meldete einen Besucher, der ihn zu sprechen verlange.
    »Sage ihm, daß ich ihn in einer Stunde empfangen kann und daß ich ihn bitte, sich kurz zu fassen, es liegt Dringliches vor. – Nein, warte noch! Geh auch in die Kanzlei und melde dem ersten Sekretär, er möge sofort und eilig die Gesamtbehörde auf übermorgen zu einer Sitzung einberufen, mit dem Vermerk, daß Vollzähligkeit notwendig sei und nur schwere Erkrankung als Entschuldigung für ein Ausbleiben gelte. Dann geh zum Hausmeister und sage ihm,
morgen früh müsse ich nach Waldzell fahren, der Wagen habe um sieben bereit zu sein . . .«
    »Mit Erlaubnis«, sagte der Jüngling, »es wäre der Wagen des Herrn Magister Ludi zur Verfügung.«
    »Wie denn?«
    »Der Ehrwürdige ist gestern zu Wagen angekommen. Soeben hat er das Haus verlassen mit dem Bescheid, er gehe zu Fuß weiter und lasse den Wagen hier zur Verfügung der Behörde.«
    »Es ist gut. So nehme ich morgen den Waldzeller Wagen. Wiederholen, bitte.«
    Der Diener wiederholte: »Der Besucher wird in einer Stunde empfangen, er soll sich kurz fassen. Der erste Sekretär hat die Behörde auf übermorgen einzuberufen, Vollzähligkeit notwendig, nur schweres Kranksein entschuldigt. Morgen früh um sieben Abreise nach Waldzell mit dem Wagen des Herrn Magister Ludi.«
    Meister Alexander atmete auf, als der junge Mensch wieder gegangen war. Er trat zu dem Tisch, an dem er mit Knecht gesessen war, und noch klangen die Schritte dieses Unbegreiflichen in ihm nach, den er vor allen andern geliebt und der ihm so großen Schmerz angetan hatte. Immer hatte er seit den Tagen, da er ihm Dienste geleistet, diesen Mann geliebt, und unter manchen andern Eigenschaften war es gerade auch Knechts Gang gewesen, den er gerngehabt hatte, ein bestimmter und taktfester, aber leichter, ja
beinah schwebender Schritt, zwischen würdig und kindlich, zwischen priesterlich und tänzerisch, ein eigenartiger liebenswürdiger und vornehmer Schritt, der ausgezeichnet zu Knechts Gesicht und Stimme paßte. Er paßte nicht minder zu seiner so besonderen Art von Kastalier- und Magistertum, seiner Art von Herrentum und von Heiterkeit, welche manchmal ein wenig an die aristokratisch gemessene seines Vorgängers, des Meisters Thomas, manchmal auch an die einfache und herzgewinnende des Alt-Musikmeisters erinnerte. Nun war er also schon abgereist, der Eilige, zu Fuß, wer weiß wohin, und vermutlich würde er ihn niemals wiedersehen, nie mehr sein Lachen hören und seine schöne langfingrige Hand die Hieroglyphen eines Glasperlenspielsatzes hinmalen sehen. Er griff nach den Blättern, die auf dem Tische liegen geblieben waren, und begann sie zu lesen. Es war ein kurzes Vermächtnis, sehr knapp und sachlich, oft nur Stichworte, statt Sätze, und sollte dazu dienen, der Behörde die

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