Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
daß die Arbeit getan wird, Kanzlei und Archiv in Ordnung sind, der Magister Ludi weder Krankheit noch Launen zeigt. Ich verdanke es eben jenen Regeln, in die Ihr mich einst so meisterhaft eingeführt habet, daß ich durchgehalten und weder die Kraft noch die Gelassenheit verloren habe. Aber es hat mich große Mühe gekostet. Und nun kostet es mich leider kaum weniger Mühe, Euch davon zu überzeugen, daß es nicht Stimmungen sind, nicht Launen oder Gelüste, von denen ich mich treiben lasse. Aber ob mir das nun gelingt oder nicht, zumindest bestehe ich darauf, daß Ihr anerkennt, meine Person und Leistung sei bis zu dem Augenblick, da Ihr sie zum letztenmal kontrolliert habt, integer und brauchbar gewesen. Sollte ich damit schon zuviel von Euch erwarten?«
    Meister Alexanders Augen blinzelten ein wenig wie spöttisch. »Herr Kollege«, sagte er, »Ihr sprecht mit mir, als seien wir zwei Privatpersonen, die sich unverbindlich unterhalten. Das trifft aber nur auf Euch zu, Ihr seid ja jetzt in der Tat eine Privatperson. Ich aber bin es nicht, und was ich denke und sage, sage nicht ich, sondern es sagt es der Vorstand der Ordensleitung, und er ist für jedes Wort seiner Behörde verant
wortlich. Was Ihr heute hier sagt, das wird ohne Folgen sein; es mag Euch damit noch so ernst sein, aber es bleibt die Rede eines Privatmanns, der im eigenen Interesse spricht. Für mich aber bestehen Amt und Verantwortung fort, und es kann Folgen haben, was ich heut sage oder tue. Ich vertrete Euch und Eurer Affäre gegenüber die Behörde. Ob nun die Behörde Eure Darstellung der Vorgänge hinnehmen, vielleicht sogar anerkennen will, ist nicht gleichgültig. – Ihr stellt es mir also so dar, als wäret Ihr, wenn auch mit allerlei aparten Gedanken im Kopf, bis gestern ein einwandfreier, tadelloser Kastalier und Magister gewesen, hättet zwar Anfechtungen und Anfälle von Amtsmüdigkeit erlebt, sie aber regelmäßig bekämpft und bezwungen. Angenommen, ich ließe das gelten, wie aber verstehe ich dann das Ungeheuerliche, daß der einwandfreie, integre Magister, der gestern noch jede Regel erfüllt hat, heute plötzlich desertiert? Da fällt es mir doch leichter, mich in einen Magister hineinzudenken, der schon lange Zeit im Gemüt verändert und erkrankt war und der, während er sich noch immer für einen ganz guten Kastalier hielt, es in Wirklichkeit schon lange nicht mehr war. Auch frage ich mich, warum eigentlich Ihr so viel Wert auf die Feststellung legt, daß Ihr bis in die letzte Zeit ein pflichttreuer Magister wart. Da Ihr nun einmal den Schritt getan, den Gehorsam gebrochen und Desertion begangen habet, kann Euch
doch an solchen Feststellungen nichts mehr gelegen sein.«
    Knecht wehrte sich. »Mit Verlaub, Hochverehrter, warum soll mir daran nicht gelegen sein? Es handelt sich um meinen Ruf und Namen, um das Andenken, das ich hier zurücklasse. Es handelt sich damit auch um die Möglichkeit für mich, draußen für Kastalien zu wirken. Ich stehe nicht hier, um etwas für mich zu retten oder gar um die Billigung meines Schrittes durch die Behörde zu erreichen. Ich rechnete damit und ergebe mich darein, von meinen Kollegen künftig bezweifelt und als problematische Erscheinung angesehen zu werden. Als Verräter oder als Verrückter aber will ich nicht angesehen sein, es ist ein Urteil, das ich nicht annehmen kann. Ich habe etwas getan, was Ihr mißbilligen müßt, aber ich habe es getan, weil ich mußte, weil es mir aufgetragen ist, weil es meine Bestimmung ist, an die ich glaube und die ich mit gutem Willen auf mich nehme. Wenn Ihr mir auch dies nicht zugestehen könnt, dann bin ich unterlegen und habe umsonst zu Euch gesprochen.«
    »Es geht immer um ein und dasselbe«, antwortete Alexander. »Ich soll zugestehen, daß unter Umständen der Wille eines Einzelnen das Recht haben soll, die Gesetze zu brechen, an die ich glaube und die ich zu vertreten habe. Ich kann aber nicht an unsre Ordnung und zugleich auch noch an Euer privates
Recht zur Durchbrechung dieser Ordnung glauben. – Unterbrecht mich nicht, bitte. Ich kann Euch zugestehen, daß Ihr allem Anschein nach von Eurem Recht und dem Sinn Eures fatalen Schrittes überzeugt seid und an eine Berufung zu Eurem Vorhaben glaubt. Daß ich den Schritt selbst billige, erwartet Ihr ja gar nicht. Dagegen habt Ihr allerdings erreicht, daß ich auf meinen anfänglichen Gedanken, Euch zurückzugewinnen und Euren Entschluß zu ändern, verzichtet habe. Ich nehme Euren Austritt aus dem

Weitere Kostenlose Bücher