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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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bitte ich um öfteren kurzen Urlaub nach Waldzell und um ständigen Funkanschluß an die Vorträge und Spezialübungen eures Seminars für Fortgeschrittene.«
    »Gern bewilligt«, rief der Meister und hatte schon etwas von Verabschiedung im Ton, da hob Knecht die Stimme und sagte auch das andere noch, nämlich, daß er befürchte, falls das Vorhaben mit Mariafels glücke, etwa nach Rom geschickt oder sonst weiter zu diplomatischen Diensten gebraucht zu werden. »Und diese Aussicht«, schloß er, »würde auf mich und meine Bemühungen im Kloster niederdrückend und hemmend wirken. Denn auf die Dauer in den diplomatischen Dienst abgeschoben zu werden, wär mir äußerst unerwünscht.«
    Der Magister zog die Brauen zusammen und hob rügend den Finger. »Du sprichst von Abgeschobenwerden, das Wort ist wirklich schlecht gewählt, niemand hat je an Abschieben gedacht, eher an Auszeichnung, an Beförderung. Ich bin nicht befugt, dir über die Art, wie man dich späterhin verwenden wird, Auskunft zu geben oder Versprechungen zu machen. Doch kann ich deine Bedenken zur Not verstehen, und vermutlich werde ich dir behilflich sein können, falls du wirklich mit deiner Furcht recht behalten solltest. Und nun höre: du hast eine gewisse Gabe, dich angenehm und beliebt zu machen, ein Übelwollender könnte dich beinahe einen Charmeur heißen; vermutlich hat ja auch diese Gabe die Behörde zu deiner zweimaligen Absendung ins Kloster veranlaßt. Aber mache nicht allzuvielen Gebrauch von deiner Gabe, Josef, und suche nicht den Preis deiner Leistungen in die Höhe zu treiben. Wenn es dir mit dem Pater Jakobus glückt, so wird das der rechte Augenblick für dich sein, eine persönliche Bitte an die Behörde zu richten. Heute scheint es mir zu früh. Laß es mich wissen, wenn du reisebereit bist.«
    Schweigend nahm Josef die Worte entgegen, sich mehr an das hinter ihnen versteckte Wohlwollen als an die Rüge haltend, und reiste bald darauf nach Mariafels zurück.
    Dort empfand er die Sicherheit, welche ein genau umgrenzter Auftrag gibt, sehr wohltätig. Überdies
war dieser Auftrag wichtig und ehrenvoll, und in einer Hinsicht traf er mit den eigensten Wünschen des Beauftragten zusammen: soviel wie nur möglich sich an den Pater Jakobus anzuschließen und dessen volle Freundschaft zu erwerben. Daß seine neue Mission hier im Stift ernst genommen werde und er selbst im Range erhöht sei, bewies ihm überdies die etwas veränderte Haltung der Würdenträger des Klosters, namentlich des Abtes; sie war unvermindert freundlich, aber um einen spürbaren Grad respektvoller als vormals. Josef war nicht mehr der junge Gast ohne Rang, gegen den man seiner Herkunft wegen und aus Wohlwollen für seine Persönlichkeit artig ist, er wurde jetzt eher wie ein höherer kastalischer Beamter empfangen und behandelt, ein bevollmächtigter Gesandter etwa. Nicht mehr blind in diesen Dingen, zog er daraus seine Schlüsse.
    Bei Pater Jakobus allerdings konnte er keine Änderung des Verhaltens entdecken: die Freundschaftlichkeit und Freude, mit der ihn der Pater begrüßte und, ohne Knechts Bitte oder Mahnung abzuwarten, an die vereinbarte gemeinsame Arbeit erinnerte, rührte ihn tief. Sein Arbeitsplan und Tageslauf bekam nun ein wesentlich anderes Gesicht als vor dem Urlaub. Im Arbeitsplan und Pflichtenkreis nahm diesmal der Glasperlenspielkurs längst nicht mehr die erste Stelle ein, und von seinen musikarchivalischen Studien sowie der kollegialen Zusammenarbeit mit dem Orga
nisten war überhaupt nicht mehr die Rede. Obenan stand jetzt der Unterricht bei Pater Jakobus, ein Unterricht in mehreren Fächern der Geschichtswissenschaft zugleich, denn der Pater führte seinen Vorzugsschüler nicht nur in die Vor- und Frühgeschichte des Benediktinerordens ein, sondern auch in die Quellenkunde des frühen Mittelalters, und las außerdem in einer gesonderten Stunde mit ihm einen der alten Chronisten im Urtext. Es gefiel dem Pater, daß Knecht ihn mit der Bitte bestürmte, auch den jungen Anton teilnehmen zu lassen, doch wurde es ihm nicht schwer, ihn davon zu überzeugen, daß auch der bestgewillte Dritte diese Art von privatestem Unterricht erheblich hemmen müßte, und so wurde Anton, der von Knechts Fürsprache nichts ahnte, nur zur Teilnahme an der Chronistenlektüre eingeladen und war darüber hoch beglückt. Ohne Zweifel waren diese Stunden für den jungen Bruder, über dessen Leben wir des weiteren nicht unterrichtet sind, eine Auszeichnung, ein Genuß und

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