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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Ansporn höchster Art; es waren zwei der reinsten Geister und originalsten Köpfe seiner Zeit, an deren Arbeit und deren Austausch er als Zuhörer und junger Rekrut ein wenig teilhaben durfte. Knechts Gegenleistung an den Pater bestand in einer fortlaufenden, jeweils auf die Lektionen in Epigraphik und Quellenkunde folgenden Einführung in die Geschichte und Struktur Kastaliens und der leitenden Ideen des Glasperlen
spiels, wobei der Schüler zum Lehrer, der verehrte Lehrer zum aufmerksamen Zuhörer und oft recht schwer zu befriedigenden Fragensteller und Kritiker wurde. Sein Mißtrauen gegen die gesamte kastalische Mentalität blieb immer wach; da er eine eigentlich religiöse Haltung an ihr vermißte, zweifelte er an ihrer Fähigkeit und Würdigkeit zum Erziehen eines wirklich ernst zu nehmenden Menschentyps, obwohl ihm in Knechts Person ein so edles Ergebnis dieser Erziehung gegenüberstand. Auch als er längst, soweit dies eben möglich war, eine Art von Bekehrung durch Knechts Unterricht und Beispiel erfahren hatte und längst entschlossen war, die Annäherung Kastaliens an Rom zu befürworten, schlief dies Mißtrauen nie völlig ein, Knechts Aufzeichnungen sind voll von drastischen, jeweils im Moment notierten Beispielen, deren wir eins anführen:
    Pater: »Ihr seid große Gelehrte und Ästhetiker, ihr Kastalier, ihr messet das Gewicht der Vokale in einem alten Gedicht und setzt seine Formel zu der einer Planetenbahn in Beziehung. Das ist entzückend, aber es ist ein Spiel. Ein Spiel ist ja auch euer höchstes Geheimnis und Symbol, das Glasperlenspiel. Ich will auch anerkennen, daß ihr den Versuch macht, dies hübsche Spiel zu so etwas wie einem Sakrament zu erheben, oder mindestens zu einem Mittel der Erbauung. Aber Sakramente entstehen nicht aus solchen Bemühungen, das Spiel bleibt Spiel.«
    Josef: »Sie meinen, Pater, es fehle uns das Fundament der Theologie?«
    Pater: »Ach, von Theologie wollen wir gar nicht reden, davon seid ihr noch allzuweit entfernt. Es wäre euch schon mit einigen einfacheren Fundamenten gedient, mit einer Anthropologie zum Beispiel, einer wirklichen Lehre und einem wirklichen Wissen vom Menschen. Ihr kennt ihn nicht, den Menschen, nicht seine Bestialität und nicht seine Gottesbildschaft. Ihr kennt bloß den Kastalier, eine Spezialität, eine Kaste, einen aparten Züchtungsversuch.«
    Für Knecht war es ja ein Glücksfall außerordentlicher Art, daß er für seine Aufgabe, den Pater für Kastalien zu gewinnen und vom Wert einer Bundesgenossenschaft zu überzeugen, in diesen Stunden das denkbar günstigste und breiteste Feld eingeräumt bekam. Es war ihm damit eine Situation geboten, welche allem nur irgend Wünsch- und Ersinnbaren so vollkommen entsprach, daß er schon bald etwas wie Gewissensskrupel dabei empfand, denn es wollte ihm beschämend und unwürdig erscheinen, wie ihm da der verehrte Mann vertrauensvoll sich hingebend gegenübersaß oder mit ihm den Kreuzgang hinab und hinauf wanderte, während er doch das Objekt und Ziel geheimer politischer Absichten und Geschäfte war. Knecht hätte diese Lage nicht lange schweigend hingenommen und sann nur noch über die Form nach, die er seiner Demaskierung zu geben
habe, als ihm der Alte zu seiner Überraschung zuvorkam.
    »Lieber Freund«, sagte er eines Tages wie nebenher, »wir haben da wirklich eine höchst angenehme und, so hoffe ich, auch fruchtbare Art des Austausches erfunden. Die beiden Tätigkeiten, die mir zeitlebens die liebsten waren, das Lernen und das Lehren, haben in unsern gemeinsamen Arbeitsstunden eine schöne neue Kombination gefunden, und für mich kam das gerade zur richtigen Zeit, denn ich beginne zu altern und hätte mir eine bessere Kur und Auffrischung, als unsre Stunden sie sind, gar nicht ausdenken können. Also was mich betrifft, ich bin bei unsrem Austausch der Gewinnende, auf jeden Fall. Dagegen bin ich nicht so sicher, ob auch Sie, Freund, und namentlich ob die Leute, deren Abgesandter Sie sind und in deren Dienst Sie stehen, so viel bei der Sache zu gewinnen haben, wie sie vielleicht hoffen. Ich möchte einer spätern Enttäuschung vorbeugen und möchte außerdem zwischen uns beiden kein unklares Verhältnis entstehen lassen, darum erlauben Sie einem alten Praktiker eine Frage: ich habe mir über Ihren Aufenthalt in unsrem Klösterchen, so angenehm er mir ist, natürlich schon des öftern Gedanken gemacht. Bis vor kurzem, bis zu Ihrem neulichen Urlaub nämlich, glaubte ich feststellen zu können,

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