Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften
sei durch Knechts Mariafelser Mission geschehen. Diese Mission, an sich nur ein Versuch, eine höfliche Gebärde und zu nichts verpflichtend, sei ohne Nebenabsichten auf Einladung des dortigen Partners hin unternommen worden, andernfalls hätte man selbstverständlich nicht einen politisch ahnungslosen Glasperlenspieler, sondern etwa einen jüngern Beamten aus dem Bereich von Herrn Dubois dafür verwendet. Es habe nun aber dieser Versuch, diese kleine harmlose Mission, ein überraschend gutes Resultat ergeben, es sei durch sie ein führender Geist des heutigen Katholizismus, Pater Jakobus, mit dem Geist Kastaliens etwas näher bekannt geworden und habe von diesem Geist, den er bisher durchaus ablehnte, einen günstigeren Begriff bekommen. Man sei Josef Knecht dankbar für die Rolle, die er dabei gespielt habe. Hier nämlich liege der Sinn und der Erfolg seiner Mission, und von diesem Punkt aus müsse nicht nur der ganze Versuch einer Annäherung, sondern besonders auch Knechts
Sendung und Arbeit weiter betrachtet und betrieben werden. Man habe ihm einen Urlaub gewährt, der auch noch etwas verlängert werden könne, falls er dies wünsche, man habe sich mit ihm ausgesprochen und ihn mit den meisten Mitgliedern der obersten Behörden bekannt gemacht, die Oberen hätten ihr Vertrauen zu Knecht ausgesprochen und hätten nun ihn, den Glasperlenspielmeister, beauftragt, Knecht mit einem besonderen Geschäft und erweiterten Kompetenzen nach Mariafels zurückzusenden, wo er ja glücklicherweise eines freundlichen Empfanges sicher sei.
Er machte eine Pause, wie um seinem Zuhörer Zeit zu einer Frage zu lassen, aber dieser gab nur durch eine höfliche Gebärde der Ergebenheit zu verstehen, daß er aufmerke und seines Auftrags gewärtig sei.
»Der Auftrag, den ich dir zu übergeben habe«, sagte nun der Magister, »ist also dieser: wir planen, für früher oder später, die Einrichtung einer ständigen Vertretung unsres Ordens beim Vatikan, womöglich auf Gegenseitigkeit. Wir sind, als die Jüngeren, Rom gegenüber zu einer zwar nicht servilen, aber sehr ehrfurchtsvollen Haltung bereit, wir wollen gerne den zweiten Rang einnehmen und ihm den ersten lassen. Vielleicht – ich weiß das so wenig, wie Herr Dubois es weiß – würde der Papst unser Anerbieten schon heute annehmen; was wir aber unbedingt zu vermeiden haben, ist eine abschlägige Antwort von dort.
Es gibt nun einen uns bekannten und erreichbaren Mann, dessen Stimme in Rom das allergrößte Gewicht hat, den Pater Jakobus. Und dein Auftrag ist, du sollst ins Benediktinerstift zurückkehren, sollst wie bisher dort leben, Studien treiben, einen harmlosen Glasperlenspielkurs abhalten und sollst all dein Augenmerk und deine Sorgfalt daran wenden, den Pater Jakobus langsam für uns zu gewinnen und dafür, daß er dir seine Befürwortung unsres Vorhabens in Rom zusagt. Diesmal ist das Endziel deiner Sendung also genau umgrenzt. Wie lange du brauchen wirst, um es zu erreichen, ist nebensächlich; wir denken, es werde mindestens noch ein Jahr dauern, aber es können auch zwei, auch mehrere Jahre sein. Du kennst ja das benediktinische Tempo und hast gelernt, dich ihm anzupassen. Wir dürfen unter keinen Umständen den Eindruck von Ungeduld und Gierigkeit machen, die Sache muß wie von selber spruchreif werden, nicht wahr? Ich hoffe dich mit dem Auftrag einverstanden und bitte um offene Aussprache jedes Einwandes, den du etwa zu machen hast. Wenn du es wünschest, stehen auch ein paar Tage Bedenkzeit zur Verfügung.«
Knecht, den der Auftrag nach manchem vorangegangenen Gespräch nicht mehr überraschte, erklärte die Bedenkzeit für überflüssig, nahm den Auftrag gehorsam an, setzte aber hinzu: »Ihr wißt, daß Missionen dieser Art am besten gelingen, wenn der Beauftrag
te dabei nicht eigene innere Widerstände und Hemmungen zu bekämpfen hat. Ich habe gegen den Auftrag selbst keine Widerstände, ich begreife seine Wichtigkeit und hoffe ihm gerecht werden zu können. Eine gewisse Furcht und Bedrückung aber empfinde ich meiner Zukunft wegen; seid so gütig, Magister, und hört mein ganz persönliches, egoistisches Anliegen und Geständnis an. Ich bin Glasperlenspieler, wie Ihr wißt, infolge meiner Sendung zu den Patres habe ich nun zwei volle Jahre in meinen Studien versäumt, habe nichts hinzugelernt und meine Kunst vernachlässigt, nun kommt mindestens ein weiteres Jahr hinzu, wahrscheinlich mehr. Ich möchte in dieser Zeit nicht noch weiter zurückkommen. Darum
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