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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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daß der Sinn und das Ziel Ihrer Anwesenheit bei uns auch Ihnen selbst keineswegs vollkommen klar sei. Habe ich richtig beobachtet?«
    Und als Knecht bejahte, fuhr er fort: »Gut. Seit Ihrer Rückkehr nun aus jenem Urlaub hat sich das geändert. Sie machen sich jetzt keine Gedanken und Sorgen mehr über den Zweck Ihres Hierseins, sondern wissen darüber Bescheid. Stimmt es? – Gut, ich habe also nicht fehlgeraten. Vermutlich rate ich auch nicht fehl mit der Vorstellung, die ich mir vom Zweck Ihres Hierseins mache. Sie haben einen diplomatischen Auftrag, und der gilt weder unsrem Kloster noch unsrem Herrn Abt, sondern er gilt mir. – Sie sehen, es bleibt von Ihrem Geheimnis nicht gar so viel übrig. Um die Lage vollends ganz zu klären, tue ich den letzten Schritt und gebe Ihnen den Rat, mir auch den Rest vollends mitzuteilen. Wie also lautet Ihr Auftrag?«
    Knecht war aufgesprungen und stand ihm überrascht, verlegen, beinahe bestürzt gegenüber. »Sie haben recht«, rief er, »aber während Sie mich erleichtern, beschämen Sie mich auch, indem Sie mir zuvorkommen. Seit einer Weile schon habe ich überlegt, wie ich unsrem Verhältnis die Klarheit geben könne, die Sie nun so rasch hergestellt haben. Ein Glück nur, daß meine Bitte um Ihre Unterweisungen und unsre Vereinbarung wegen meiner Einführung in Ihre Wissenschaft noch in die Zeit vor meinem Urlaub fallen, es hätte sonst wahrhaftig den Anschein, als sei das alles Diplomatie von mir gewesen und unsre Studien nur Vorwand!«
    Freundlich beruhigte ihn der Alte. »Ich wollte nichts, als uns beiden einen Schritt vorwärts helfen. Die Lauterkeit Ihrer Absichten bedarf keiner Versicherung. Wenn ich Ihnen zuvorgekommen bin und nichts herbeigeführt habe, als was auch Ihnen erwünscht schien, ist ja alles gut.« Über den Inhalt von Knechts Auftrag, den dieser ihm nun mitteilte, meinte er: »Ihre Herren in Kastalien sind nicht gerade geniale, aber doch ganz annehmbare Diplomaten, und Glück haben sie auch. Ihren Auftrag werde ich mir in aller Ruhe überlegen, und meine Entscheidung wird zum Teil davon abhängen, wie weit es Ihnen gelingt, mich in Ihre kastalische Verfassung und Ideenwelt einzuführen und sie mir plausibel zu machen. Wir wollen uns damit alle Zeit lassen.« Und als er Knecht noch immer etwas betreten sah, lachte er hart auf und meinte: »Wenn Sie wollen, können Sie mein Vorgehen auch als eine Art von Lektion auffassen. Wir sind zwei Diplomaten, und deren Beisammensein ist stets ein Kampf, auch wenn er freundschaftliche Formen hat. In unsrem Kampf nun war ich momentan im Nachteil, das Gesetz des Handelns war mir entschlüpft, Sie wußten mehr als ich. Jetzt ist das also ausgeglichen. Der Schachzug ist geglückt, er war also richtig.«
    Wenn es Knecht wertvoll und wichtig erschien, den Pater für die Absichten der kastalischen Behörde zu gewinnen, so schien es ihm doch noch weit wich
tiger, so viel als nur möglich bei ihm zu lernen und seinerseits dem gelehrten und mächtigen Manne ein zuverlässiger Führer in die kastalische Welt zu sein. Um vieles ist Knecht von manchen seiner Freunde und Schüler beneidet worden, so wie eben ausgezeichnete Menschen nicht nur um ihre innere Größe und Energie, sondern auch um ihr scheinbares Glück, ihre scheinbare Bevorzugung durch das Schicksal beneidet zu werden pflegen. Der Kleinere sieht am Größeren das, was er eben zu sehen vermag, und Josef Knechts Laufbahn und Aufstieg hat in der Tat für jeden Betrachter etwas ungewöhnlich Glänzendes, Rasches, scheinbar Müheloses; von jener Zeit seines Lebens kann man wohl versucht sein zu sagen: er hat Glück gehabt. Wir wollen auch nicht den Versuch machen, dies »Glück« rationalistisch oder moralistisch, sei es als kausale Folge äußerer Umstände, sei es als eine Art von Belohnung seiner besonderen Tugend zu erklären. Glück hat weder mit Ratio noch mit Moral etwas zu tun, es ist etwas seinem Wesen nach Magisches, einer frühen, jugendlichen Menschheitsstufe Zugehörendes. Der naive Glückliche, der von den Feen Beschenkte, von den Göttern Verwöhnte ist kein Gegenstand für die rationale Betrachtung und somit auch nicht für die biographische, er ist Symbol und steht jenseits des Persönlichen und des Geschichtlichen. Dennoch gibt es hervorragende Menschen, aus deren Leben das »Glück«
nicht wegzudenken ist, bestehe es auch nur darin, daß sie und die ihnen gemäße Aufgabe tatsächlich geschichtlich und biographisch einander finden und treffen, daß

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