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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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sprachlichen, musikalischen und so weiter, eine möglichst dichte, lückenlose, formal vollkommene Einheit und Harmonie zu bilden. Das psychologische Spiel dagegen suchte die Einheit und Harmonie, die kosmoshafte Rundheit und Vollkommenheit nicht so sehr in der Wahl, Anordnung, Verschränkung, Verknüpfung und Gegenüberstellung der Inhalte als in der jeder Etappe des Spieles folgen
den Meditation, auf die es allen Nachdruck legte. Ein solches psychologisches oder, wie Knecht lieber sagte, pädagogisches Spiel bot nicht von außen her den Anblick des Vollkommenen, sondern leitete den Spieler durch die Folge seiner genau vorgeschriebenen Meditationen zum Erlebnis des Vollkommenen und Göttlichen. »Das Spiel, wie ich es meine«, schrieb Knecht einmal an den Alt-Musikmeister, »umschließt nach absolvierter Meditation den Spieler so, wie die Oberfläche einer Kugel ihren Mittelpunkt umschließt, und entläßt ihn mit dem Gefühl, eine restlos symmetrische und harmonische Welt aus der zufälligen und wirren gelöst und in sich aufgenommen zu haben.«
    Jenes Spiel nun, mit dem sich Knecht am großen Wettbewerb beteiligte, war also ein formal, nicht ein psychologisch aufgebautes. Möglich, daß er damit den Oberen und auch sich selbst zu beweisen wünschte, er habe über dem Gastspiel in Mariafels und seiner diplomatischen Mission als Glasperlenspieler nichts an Übung, Elastizität, Eleganz und Virtuosität eingebüßt, und dieser Beweis ist ihm gelungen. Die letzte Ausführung und Reinschrift seines Spielentwurfes hat er, da sie nur im Waldzeller Spielarchiv besorgt werden konnte, seinem Freunde Tegularius anvertraut, welcher übrigens selbst zu den Teilnehmern am Wettbewerb gehörte. Auch konnte er seine Papiere dem Freunde selbst übergeben und sie mit ihm durchsprechen, wie er auch dessen Entwurf
mit ihm durchsah, denn es war ihm gelungen, Fritz für drei Tage zu sich ins Kloster zu bekommen; zum erstenmal hatte Magister Thomas diese schon zweimal an ihn gerichtete Bitte erfüllt. So sehr sich Tegularius des Besuches freute und so viel Neugierde er als kastalischer Insulaner mitbrachte, so fühlte er sich doch im Kloster äußerst unbehaglich, ja der sensible Mensch erkrankte beinahe unter all den fremdartigen Eindrücken und zwischen diesen freundlichen, aber einfachen, gesunden, auch etwas derben Menschen, deren keinem seine Gedanken, Sorgen und Probleme das geringste bedeutet hätten. »Du lebst hier auf einem fremden Gestirn«, sagte er zu seinem Freunde, »und ich begreife nicht und bewundere dich dafür, daß du es hier schon drei Jahre ausgehalten hast. Deine Patres sind ja sehr artig gegen mich, aber ich fühle mich hier von allem abgelehnt und zurückgestoßen, nichts kommt mir entgegen, nichts versteht sich von selber, nichts läßt sich ohne Widerstände und Schmerzen assimilieren; zwei Wochen hier leben zu müssen, wäre mir die Hölle.« Knecht hatte Mühe mit ihm, sah auch mit Unbehagen zum erstenmal diese Fremdheit zwischen den beiden Orden und Welten als Zuschauer mit an und fühlte, daß sein überempfindlicher Freund mit seiner ängstlichen Hilflosigkeit hier keinen guten Eindruck mache. Aber ihre beiden Spielpläne für den Wettbewerb gingen sie miteinander gründlich und
kritisch durch, und wenn Knecht nach einer solchen Stunde zu Pater Jakobus in den andern Flügel hinüberging oder zu einer Mahlzeit, hatte auch er das Gefühl, aus einem heimatlichen Lande plötzlich in ein ganz anderes, mit anderer Erde und Luft, anderem Klima und anderen Sternen, versetzt zu sein. Als Fritz wieder fort war, provozierte er beim Pater eine Äußerung über dessen Eindruck. »Ich hoffe«, sagte Jakobus, »die Mehrzahl der Kastalier sei mehr Ihnen ähnlich als Ihrem Freunde. Das ist eine unvertraute, überzüchtete, schwächliche und dabei, fürchte ich, auch etwas hochmütige Menschenart, die Sie uns in ihm vorgeführt haben. Ich will mich weiterhin an Sie halten, sonst würde ich ungerecht gegen eure Art werden. Denn dieser arme, empfindliche, überkluge, zapplige Mensch könnte einem eure ganze Provinz wieder entleiden.«
    »Nun«, sagte Knecht, »es wird auch unter den Herren Benediktinern im Lauf der Jahrhunderte etwa einmal einen kränklichen, körperlich schwachen, aber geistig darum doch vollwertigen Mann gegeben haben, wie mein Freund einer ist. Es war vermutlich unklug, ihn hieher einzuladen, wo man zwar scharfe Augen für seine Schwächen, aber kein Organ für seine großen Vorzüge hat. Mir hat er durch

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