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Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften

Titel: Das Glasperlenspiel - Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Briefchen an Fritz), war ein kurzer Satz des Inhalts, der Orden sei durch den Glasperlenspielmeister über seinen Wunsch, in den Vicus Lusorum zurückzukehren, unterrichtet und durchaus geneigt, diesem Wunsch nach Beendigung seines jetzigen Auftrags zu entsprechen. Er las diese Stelle auch dem Pater Jakobus vor und bekannte ihm, wie sehr er sich über sie freue, bekannte jetzt auch, wie sehr er gefürchtet habe, vielleicht dauernd von Kastalien verbannt zu bleiben und nach Rom geschickt zu werden. Der Pater meinte lachend: »Ja, die Orden haben es in sich, Freund, man lebt lieber in ihrem Schoß als an der Peripherie oder gar im Exil. Sie mögen ruhig das bißchen Politik wieder vergessen, in dessen unlautere Nähe Sie hier geraten sind, denn ein Politiker sind Sie nicht. Aber der Geschichte sollten Sie nicht untreu werden, auch wenn sie vielleicht immer ein Neben- und Liebhaberfach für Sie bleibt. Denn zum Historiker hätten Sie das Zeug. Und jetzt wollen wir beide noch voneinander profitieren, solang ich Sie habe.«
    Von der Erlaubnis zu häufigeren Besuchen in Waldzell scheint Josef Knecht wenig Gebrauch gemacht zu haben; doch hörte er am Apparat ein Übungsseminar und manche Vorträge und Spiele mit. Und so nahm er auch aus der Ferne, in seinem vornehmen Gastzimmer im Stift sitzend, an jener »Solennität«
teil, bei welcher im Festsaal des Vicus Lusorum die Ergebnisse des Preisausschreibens bekanntgegeben wurden. Er hatte eine nicht sehr persönliche und gar nicht revolutionäre, aber gediegene und höchst elegante Arbeit eingereicht, die er einzuschätzen wußte, und war auf eine lobende Erwähnung oder einen dritten oder zweiten Preis gefaßt. Zu seiner Überraschung hörte er nun, daß ihm der erste Preis zugesprochen sei, und noch ehe die Überraschung die Freude in ihm recht hatte aufkommen lassen, las schon der Sprecher des Spielmeisteramtes mit seiner schönen tiefen Stimme weiter und nannte als Träger des zweiten Preises Tegularius. Dies war nun allerdings ein bewegendes und entzückendes Erlebnis, daß sie beide, Hand in Hand, als gekrönte Sieger aus diesem Wettkampf hervorgingen! Er sprang auf, ohne weiter zuzuhören, und lief die Treppe hinab und durch die hallenden Dormente ins Freie. In einem Brief an den Alt-Musikmeister, der in jenen Tagen geschrieben ist, lesen wir: »Ich bin sehr glücklich, Verehrter, wie Du Dir denken kannst. Erst die Durchführung meiner Mission und deren ehrenvolle Anerkennung durch die Ordensleitung samt der mir so wichtigen Aussicht auf baldige Rückkehr in die Heimat, zu den Freunden und zum Glasperlenspiel, statt weiter in diplomatischen Diensten verwendet zu werden, und nun dieser erste Preis für ein Spiel, bei dem ich mir zwar mit dem Formalen Mühe gegeben habe, das
aber aus guten Gründen nicht alles erschöpft, was ich zu geben hätte, und zu allem noch die Freude, diesen Erfolg mit meinem Freunde zu teilen – es war in der Tat viel auf einmal. Ich bin glücklich, ja, aber ich könnte nicht sagen, daß ich fröhlich sei. Auf eine karge Zeit hin, oder doch eine, die mir so erschien, kommen diese Erfüllungen für mein innerstes Gefühl etwas zu plötzlich und zu reichlich; meiner Dankbarkeit ist eine gewisse Bangigkeit beigemischt, so, als bedürfe es im randvoll gefüllten Gefäß nur noch eines hinzukommenden Tropfens, um alles wieder fragwürdig zu machen. Aber betrachte dies, bitte, als nicht gesagt, hier ist jedes Wort schon zuviel.«
    Wir werden sehen, daß das randvoll gefüllte Gefäß bald noch mehr als nur einen Tropfen aufzunehmen bestimmt war. In der kurzen Zeit bis dahin aber lebte Josef Knecht seinem Glück und der ihm beigemischten Bangigkeit mit einer Hingabe und Intensität, als hätte er die nahe bevorstehende große Änderung vorausgefühlt. Auch für den Pater Jakobus waren diese paar Monate eine glückliche und beschwingte Zeit. Es tat ihm leid, diesen Schüler und Kollegen bald verlieren zu sollen, und er suchte ihm, in den Arbeitsstunden selbst und noch mehr in ihren freien Unterhaltungen, das äußerst Mögliche von dem mitzugeben und zu vererben, was er in seinem arbeits- und gedankenreichen Leben an Einsicht in die Höhen und Tiefen des Menschen- und Völkerlebens gewon
nen hatte. Auch über den Sinn und die Folgen von Knechts Mission sprach er zuweilen mit ihm, über die Möglichkeit und den Wert einer Befreundung und politischen Einigkeit zwischen Rom und Kastalien, und empfahl ihm das Studium jener Epoche, zu deren Früchten die

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