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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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und ihr Mann nicht daran gedacht, ein Vorrecht der alten Familie Designori für ihren Sohn in Anspruch zu nehmen, da sie doch mit dem Vater Plinios und der ganzen Tradition des alten Hauses gebrochen hätten. Und ganz zuletzt fügte sie, schmerzlich lächelnd, hinzu, überdies hätte sie auch unter ganz anderen Umständen sich nicht von ihrem Kinde trennen können, denn außer ihm habe sie ja nichts, was ihr das Leben lebenswert mache.
    Über diese mehr unwillkürliche als überlegte Bemerkung mußte Knecht viel nachdenken. Also ihr schönes Haus, in dem alles so vornehm, prächtig und wohlabgestimmt war, und ihr
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    Mann und ihre Politik und Partei, das Erbe ihres einst von ihr angebeteten Vaters, waren alle nicht genügend, ihrem Leben Sinn und Wert zu geben, das vermochte nur ihr Kind. Und lieber ließ sie dies Kind unter so schlechten und schädigenden Bedingungen aufwachsen, wie sie hier im Hause und in ihrer Ehe bestanden, als daß sie sich zu seinem Heil von ihm getrennt hätte. Für eine so kluge, anscheinend so kühle, so intellektue lle Frau war dies ein erstaunliches Bekenntnis. Knecht konnte ihr nicht in so unmittelbarer Weise helfen wie ihrem Manne, dachte auch gar nicht daran, es zu versuchen. Aber durch seine seltenen Besuche und dadurch, daß Plinio unter seinem Einfluß stand, kam doch ein Maß und eine Mahnung in die verbogenen und verschrobenen Familienzustände.
    Für den Magister aber, während er von Mal zu Mal im Hause Designori an Einfluß und Autorität gewann, wurde das Leben dieser Weltleute immer reicher an Rätseln, je besser er es kennenlernte. Doch wissen wir über seine Besuche in der Hauptstadt und das, was er dort sah und erlebte, recht wenig und begnügen uns mit dem hier Angedeuteten.
    Dem Vorsteher der Ordensleitung in Hirsland war Knecht bisher nicht nähergetreten, als die amtlichen Funktionen es erforderten. Er sah ihn wohl nur bei denjenigen Vollsitzungen der Erziehungsbehörde, die in Hirsland stattfanden, und auch da nahm der Vorsteher meistens nur die mehr formelhaften und dekorativen Amtshandlungen vor, den Empfang und die
    Verabschiedung der Kollegen, während die Hauptarbeit der Sitzungsleitung dem Sprecher zufiel. Der bisherige Vorsteher, zur Zeit von Knechts Amtsantritt schon ein Mann in
    ehrwürdigem Alter, wurde vom Magister Ludi zwar sehr verehrt, gab ihm aber niemals Anlaß, die Distanz zu verringern, er war für ihn schon nahezu kein Mensch, keine Person mehr, sondern schwebte, ein Hoherpriester, ein Symbol der Würde und Sammlung, als schweigsame Spitze und Bekrönung über dem Bau der Behörde und der ganzen Hierarchie.
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    Dieser ehrwürdige Mann war gestorben, und an seine Stelle hatte der Orden den neuen Vorsteher Alexander gewählt.
    Alexander war eben jener Meditationsmeister, den die Ordensleitung vor Jahren unserem Josef Knecht für die erste Zeit seiner Amtsführung beigegeben hatte, und seit damals hatte der Magister diesen vorbildlichen Ordensmann bewundert und dankbar geliebt, aber auch dieser hatte den
    Glasperlenspielmeister während jener Zeit, da dieser täglich Gegenstand seiner Sorge und gewissermaßen sein Beichtkind gewesen war, nahe genug in seinem persönlichen Wesen und Gehaben beobachten und kennenlernen können, um ihn zu lieben. Die bis dahin latent gebliebene Freundschaft wurde beiden bewußt und fand ihre Gestalt von dem Augenblicke an, da Alexander Knechts Kollege und Präsident der Behörde wurde, denn nun sahen sie sich des öftern wieder und hatten gemeinsame Arbeit zu tun. Freilich fehlte es dieser Freundschaft an Alltag, wie es ihr auch an gemeinsamen Jugenderlebnissen fehlte, es war eine kollegiale Sympathie unter Hochgestellten, und ihre Äußerungen beschränkten sich auf ein kleines Mehr an Wärme bei Begrüßung und Abschied, ein lückenloseres und rascheres gegenseitiges Verstehen, etwa noch auf ein minutenlanges Plaudern in Sitzungspausen.
    War auch verfassungs mäßig der Vorsteher der Ordensleitung, auch Ordensmeister genannt, seinen Kollegen, den Magistern, nicht übergeordnet, so war er es doch durch die Tradition, nach welcher der Ordensmeister den Sitzungen der obersten Behörde präsidierte, und je meditativer und mönchischer der Orden in den letzten Jahrzehnten geworden war, desto mehr war seine Autorität gewachsen, freilich nur innerhalb der Hierarchie und Provinz, nicht außerhalb. Es waren in der Erziehungsbehörde mehr und mehr der Ordensvorsteher und der
    Glasperlenspielmeister die beiden

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