Das Glasperlenspiel
schon früh ein Anlaß zu Kampf und Diplomatie, zu Werbung und Eifersucht, bis der von beiden Eltern allzusehr Geliebte und Verwöhnte mehr und mehr der Mutter zufiel und ihr Parteigänger wurde. Dies war der letzte und, wie es schien, der am bittersten empfundene Schmerz und Verlust in
Designoris Leben. Es hatte ihn nicht gebrochen, er hatte es bewältigt und seine Art von Haltung gefunden und bewahrt, es war eine würdige Haltung, aber eine ernste, schwere, melancholische.
Während Knecht dies alles von seinem Freunde allmählich erfuhr, in manchen Besuchen und Begegnungen, hatte er ihm im Austausch auch von seinen eigenen Erfahrungen und Problemen vieles mitgeteilt, er ließ den andern nie in die Lage dessen kommen, der gebeichtet hat und mit dem Wechsel der Stunde und Stimmung dies wieder bereut und zurückzunehmen
wünscht, sondern erhielt und stärkte das Vertrauen Plinios durch seine eigene Offenheit und Hingabe. Allmählich tat sich sein Leben vor dem Freunde auf, ein anscheinend einfaches, gradliniges, musterhaftes, geregeltes Leben innerhalb einer klar aufgebauten hierarchischen Ordnung, eine Laufbahn voll Erfolg und Anerkennung, und dennoch eher ein hartes, opferreiches und recht einsames Leben, und wenn vieles in ihm für den Mann von draußen nicht ganz verständlich war, so waren es doch die Hauptströmungen und Grundstimmungen, und nichts vermochte er besser zu verstehen und mitzufühlen als Knechts Verlangen nach Juge nd, nach jungen unverbildeten Schülern, nach einer bescheidenen Tätigkeit ohne Glanz und ohne den ewigen Zwang zur Repräsentation, nach der Tätigkeit etwa eines Latein- oder Musiklehrers an einer niederen Schule. Und es war ganz im Stil von Knechts heilkünstlerischer und erzieherischer Methode, daß er diesen Patienten nicht nur durch seine große Off enheit gewann, sondern ihm auch die Suggestion gab, ihm helfen und
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dienen zu können, und damit den Antrieb, es wirklich zu tun.
Auch konnte in der Tat Designori dem Magister von manchem Nutzen sein, weniger in der Hauptfrage, desto mehr aber bei der Befriedigung von dessen Neugierde und Wissensdurst nach hundert Einzelheiten des Weltlebens.
Warum Knecht die nicht leichte Aufgabe auf sich nahm, seinen melancholischen Jugendfreund wieder lächeln und lachen zu lehren, und ob dabei die Erwägung, daß jener ihm durch Gegendienste nützlich werden könne, überhaupt eine Rolle spielte, wissen wir nicht. Designori, also derjenige, der es am ehesten wissen mußte, hat nicht daran geglaubt. Er hat später erzählt: »Wenn ich mir darüber klarzuwerden versuche, wie es Freund Knecht angefangen hat, auf einen so resignierten und in sich verschlossenen Menschen wie mich zu wirken, so sehe ich immer deutlicher, daß es zum größten Teil auf Zauberei beruhte, und ich muß sagen, auch auf Schelmerei. Er war ein viel größerer Schelm, als seine Leute ahnten, voll Spiel, voll Witz, voll Durchtriebenheit, voll Spaß am Zaubern, am Sichverstellen, am überraschenden Verschwinden und Auftauchen.
Ich glaube, schon im Augenblick meines ersten Erscheinens bei der kastalischen Behörde hat er beschlossen, mich zu fangen und auf seine Art zu beeinflussen, das heißt aufzuwecken und in bessere Form zu bringen. Wenigstens gab er sich gleich von der ersten Stunde an Mühe, mich zu gewinnen. Warum er es tat, warum er sich mit mir belud, das kann ich nicht sagen.
Ich glaube, Menschen von seiner Art tun das meiste
unbewußt, wie reflektorisch, sie fühlen sich vor eine Aufgabe gestellt, hören sich von einer Not angerufen und geben sich dem Anruf ohne weiteres hin. Er fand mich mißtrauisch und scheu, keineswegs bereit, ihm in die Arme zu sinken oder gar ihn um Hilfe zu bitten; er fand mich, den einst so offenen und mitteilsamen Freund, enttäuscht und zugeschlossen, und dieses Hindernis, diese nicht geringe Schwierigkeit schien es nun gerade zu sein, was ihn reizte. Er ließ nicht nach, so spröde ich
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auch war, und er hat denn ja auch erreicht, was er wollte. Dabei bediente er sich unter andrem des Kunstgriffs, unser Verhältnis zueinander als ein gegenseitiges erscheinen zu lassen, so als entspräche seiner Kraft die meine, seinem Wert der meine, als entspräche meiner Hilfsbedürftigkeit eine ebensolche bei ihm.
Schon beim ersten längeren Gespräch deutete er mir an, daß er auf so etwas wie mein Erscheinen gewartet, ja sich danach gesehnt habe, und allmählich weihte er mich dann in seinen Plan ein, das Amt niederzulegen und die
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