Das Glasperlenspiel
viele wichtige Geheimnisse hatte.
Er fand das moderne Haus, das sein Freund gegen das alte Stadthaus der Designori eingetauscht hatte, von einer stattlichen, sehr klugen, zurückhaltenden Dame regiert, die Dame aber von ihrem hüb- schen, vorlauten und eher unartigen Söhnchen beherrscht, um dessen Person sich hier alles zu drehen schien und das von seiner Mutter die rechthaberisch präpotente, etwas demütigende Haltung gegen den Vater gelernt zu haben schien.
Übrigens war man hier kühl und mißtrauisch gegen alles Kastalische, doch widerstanden Mutter und Sohn der
Persönlichkeit des Magisters, dessen Amt für sie außerdem etwas von Geheimnis, Weihe und Legendenhaftigkeit hatte, nicht sehr lange. Immerhin ging es beim ersten Besuche äußerst steif und gezwungen zu. Knecht verhielt sich beobachtend, abwartend und schweigsam, die Dame empfing ihn mit kühler formeller Höflichkeit und innerer Ablehnung, so etwa wie einen feindlichen hohen Offizier in Einquartierung, der Sohn Tito war der am wenigsten Befangene, er mochte schon oft genug beobachtender, vielleicht amüsierter Zeuge und Nutznießer
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ähnlicher Situationen gewesen sein. Sein Vater schien den Herrn im Hause mehr zu spielen, als er es war. Zwischen ihm und der Frau herrschte ein Ton sanfter, behutsamer, etwas ängstlicher, wie auf Zehenspitzen gehender Höflichkeit, von der Frau weit leichter und natürlicher innegehalten als von ihrem Mann.
Seinem Sohn gegenüber zeigte dieser eine Bemühung um Kameradschaftlichkeit, welche der Junge bald auszunützen, bald patzig zurückzuweisen gewohnt schien. Kurz, es war ein mühevolles, unschuldloses, von unterdrückten Trieben schwül geheiztes Beisammensein, voll von Furcht vor Störungen und Ausbrüchen, voll von Spannungen, und der Stil von Benehmen und Rede war, wie der Stil des ganzen Hauses, ein wenig allzu gepflegt und gewollt, als könne man den Schutzwall gegen etwaige Einbrüche und Überfälle gar nicht fest, nicht dicht und sicher genug aufbauen. Und noch eine Beobachtung Knechts, die er sich merkte: ein großer Teil der wiedergewonnenen Heiterkeit war aus Plinios Gesicht wieder geschwunden; er, der in Waldzell oder im Haus der Ordensleitung in Hirsland seine Schwere und Traurigkeit schon beinahe ganz verloren zu haben schien, stand hier in seinem eigenen Hause wieder ganz im Schatten und forderte Kritik sowohl wie Mitleid heraus.
Das Haus war schön und zeugte von Reichtum und
Verwöhntheit, jeder Raum war seinen Dimensionen gemäß eingerichtet, jeder zu einem angenehmen Zwei- oder Dreiklang von Farben gestimmt, da und dort ein Kunstwerk von Wert, mit Vergnügen ließ Knecht seine Blicke wandern; doch wollte alle diese Augenweide ihm am Ende um einen Grad allzu schön erscheinen, allzu vollkommen und wohlbedacht, ohne Werden, ohne Geschehen, ohne Erneuerung, und er spürte, daß auch diese Schönheit der Räume und Gegenstände den Sinn einer Beschwörung, einer schutzsuchenden Gebärde habe, und daß diese Zimmer, Bilder, Vasen und Blumen ein Leben
umschlossen und begleiteten, das sich nach Harmonie und Schönheit sehnte, ohne sie anders erreichen zu können als eben
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in der Pflege solch abgestimmter Umgebung.
In der Zeit nach diesem Besuche mit seinen zum Teil
unerquicklichen Eindrücken war es, daß Knecht seinem Freunde einen Meditationslehrer mit nach Hause gab.
Seit er einen Tag in der so merkwürdig gepreßten und geladenen Atmosphäre dieses Hauses zugebracht hatte, war ihm manches Wissen zugekommen, dessen er gar nicht begehrt, aber auch manches, das ihm gefehlt und nach dem er des Freundes wegen gesucht hatte. Und es blieb nicht bei diesem ersten Besuch, er wurde mehrmals wiederholt und führte zu
Gesprächen über Erziehung und über den jungen Tito, an welchen auch dessen Mutter lebhaften Anteil nahm. Der Magister gewann allmählich Vertrauen und Sympathie dieser klugen und mißtrauischen Frau. Als er einst, halb im Scherze, sagte, es sei doch schade, daß ihr Söhnchen nicht rechtzeitig zur Erziehung nach Kastalien geschickt worden sei, nahm sie die Bemerkung ernst wie einen Vorwurf und verteidigte sich: es wäre doch höchst zweifelhaft gewesen, ob Tito wirklich dort hätte Aufnahme finden können, er sei ja zwar begabt genug, aber schwierig zu behandeln, und gegen den eigenen Willen des Knaben so in sein Leben einzugreifen, würde sie sich niemals erlaubt haben, sei doch eben dieser selbe Versuch einst bei seinem Vater keineswegs geglückt. Auch hätten sie
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