Das Glasperlenspiel
sein.«
Designori meinte, das werde sich schon finden, und wenn der Augenblick gekommen sei, stehe sein Haus dem Freunde für beliebige Zeit offen. Aber damit war Knecht nicht zufrieden.
»Nein«, sagte er, »als Gast bin ich nicht zu gebrauchen, ich muß Arbeit haben. Auch würde ein Aufenthalt in deinem Hause, so schön es ist, wenn er länger als Tage dauerte, die Spannungen und Schwierigkeiten dort nur vermehren. Ich habe viel Vertrauen zu dir, und auch deine Frau hat sich ja an meine Besuche freundlich gewöhnt, aber dies alles hätte sofort ein anderes Gesicht, wenn ich nicht mehr Besucher und Magister Ludi, sondern ein Flüchtling und Dauergast wäre.«
»Du nimmst das doch wohl allzu genau«, meinte Plinio.
»Daß du, wenn du dich erst hier frei gemacht und deinen Wohnsitz in der Hauptstadt hast, sehr bald eine deiner würdige Berufung bekommen wirst, mindestens als Professor an einer Hochschule- damit kannst du mit Gewißheit rechnen. Doch brauchen solche Dinge Zeit, das weißt du ja, und ich kann natürlich erst dann etwas für dich unternehmen, wenn deine Loslösung von hier vollzogen ist.«
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»Gewiß«, sagte der Meister, »bis dahin muß mein Entschluß Geheimnis bleiben. Ich kann mich nicht euren Behörden zur Verfügung stellen, ehe meine eigene Behörde unterrichtet ist und entschieden hat; das ist selbstverständlich.
Aber ich suche ja auch vorerst gar nicht eine öffentliche -
Anstellung. Meine Bedürfnisse sind klein, kleiner als du dir vermutlich vorzustellen vermagst. Ich brauche ein Zimmerchen und das tägliche Brot, vor allem aber eine Arbeit und Aufgabe als Lehrer und Erzieher, ich brauche einen oder einige Schüler und Zöglinge, mit denen ich lebe und auf die ich wirken kann; an eine Hochschule denke ich dabei am allerwenigsten, ich würde ebenso gerne, nein, weit lieber, Hauslehrer bei einem Knaben oder dergleichen. Was ich suche und brauche, ist eine einfache, natürliche Aufgabe, ein Mensch, der mich braucht.
Die Berufung an eine Hochschule würde mich von Anfang an wieder in einen traditionellen, geheiligten und mechanisierten Amtsapparat einordnen, und was ich begehre, ist das Gegenteil davon.«
Zögernd rückte nun Designori mit einem Anliegen heraus, das er schon eine Weile mit sich herumgetragen hatte.
»Ich hätte einen Vorschlag zu machen«, sagte er, »und bitte dich, ihn wenigstens anzuhören und wohlwollend zu prüfen.
Vielleicht kannst du ihn annehmen, dann tätest du auch mir einen Dienst. Du hast mir seit jenem ersten Tag, an dem ich hier dein Gast war, in vielem weitergeholfen.
Du hast auch mein Leben und mein Haus kennengelernt und weißt, wie es dort steht. Es steht nicht gut, aber es steht besser als seit Jahren. Das schwierigste ist das Verhältnis zwischen mir und meine m Sohn. Er ist verwöhnt und vorlaut, er hat sich eine bevorzugte und geschonte Stellung in unsrem Haus geschaffen, das wurde ihm ja nahegelegt und leichtgemacht in den Jahren, in denen er, noch ein Kind, von seiner Mutter ebenso wie von mir umworben wurde. Er hat sich dann entschieden zur Partei der
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Mutter geschlagen, und mir sind allmählich alle wirksamen Erziehungsmittel aus den Händen gespielt worden. Ich hatte mich damit abgefunden, so wie mit meinem etwas mißglückten Leben überhaupt. Ich hatte resigniert. Aber jetzt, wo ich mit deiner Hilfe wieder einigermaßen genesen bin, habe ich doch wieder Hoffnung geschöpft. Du siehst, worauf ich hinauswill; ich würde mir sehr viel davon versprechen, wenn Tito, der ohnehin in seiner Schule Schwierigkeiten hat, eine Weile einen Lehrer und Erzieher bekäme, der sich seiner annimmt. Es ist ein egoistisches Anliegen, ich weiß es, und ob die Aufgabe dich anziehen könnte, weiß ich nicht. Aber du hast mir Mut gemacht, den Vorschlag zur Sprache zu bringen.«
Knecht lächelte und reichte ihm die Hand.
»Ich danke dir, Plinio. Kein Vorschlag könnte mir
willkommener sein. Nur fehlt noch das Einverständnis deiner Frau. Und weiter müßtet ihr euch beide dazu entschließen, mir euren Sohn fürs erste ganz zu überlassen. Damit ich ihn in die Hand bekomme, muß der tägliche Einfluß des Elternhauses ausgeschaltet werden. Du mußt mit deiner Frau darüber sprechen und sie dahin bringen, diese Bedingung anzunehmen.
Fasse es behutsam an, laßt euch Zeit!«
»Und du glaubst«, fragte Designori, »daß du mit Tito etwas erreichen könntest?«
»O ja, warum denn nicht? Er hat gute Rasse und gute Gaben von beiden Eltern her, es fehlt
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