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Das Glasperlenspiel

Das Glasperlenspiel

Titel: Das Glasperlenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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er hatte genug und übergenug, schal und wertlos war sein Leben geworden, und es kam so weit mit ihm, daß er zuweilen sich versucht fühlte, seinem Dasein ein Ende zu machen, sich zu bestrafen und auszulöschen, so wie es Judas der Verräter getan hatte, als er sich erhängte.
    Wie ihm in früheren Stadien seines Büßerlebens der Teufel die Wünsche, Vorstellungen und Träume der Sinnen- und Weltlust in die Seele geschmuggelt hatte, so suchte er ihn jetzt heim mit Vorstellungen der Selbstvernichtung, so daß er jeden Ast eines Baumes daraufhin prüfen mußte, ob er geeignet sei, sich an ihm aufzuhängen, jeden steilen Felsen der Gegend, ob er
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    steil und hoch genug sei, um sich von ihm zu Tode zu stürzen.
    Er widerstand der Versuchung, er kämpfte, er gab nicht nach, aber er lebte Tag und Nacht in einem Brand von Selbsthaß und Todesgier, das Leben war unerträglich und hassenswert geworden.
    Dahin also war es mit Josef gekommen. Als er eines Tages wieder auf einer jener Felsenhöhen stand, sah er in der Ferne zwischen Erde und Himmel zwei, drei winzige Gestalten erscheinen, Reisende offenbar, Pilger vielleicht, vielleicht Leute, welche ihn aufsuchen wollten, um bei ihm zu beichten - und plötzlich ergriff ihn ein unwiderstehliches Verlangen, alsbald und schleunigst davonzugehen, fort von diesem Ort, weg von diesem Leben. Das Verlangen packte ihn so übermächtig und triebhaft, daß es alle Gedanken, Einwände und Bedenken überrannte und hinwegfegte, denn natürlich fehlte es an solchen nicht; wie hätte ein frommer Büßer ohne Zuckungen des Gewissens einem Triebe zu folgen vermocht? Schon lief er, schon war er zu seiner Grotte zurückgekehrt, zur Wohnstätte so vieler durchkämpfter Jahre, zum Gefäß so vieler Erhebungen und Niederlagen. In besinnungsloser Eile rüstete er ein paar Hände voll Datteln und eine Kürbisflasche mit Wasser, verstaute sie in seinem alten Reisebeutel, hängte ihn über die Schulter, griff zum Stab und verließ den grünen Frieden seiner kleinen Heimat, ein Flüchtling und Ruheloser, flüchtig vor Gott und den Menschen, und flüchtig am meisten vor dem, was er einst für sein Bestes, für sein Amt und seine Mission gehalten hatte.
    Er ging anfangs wie gehetzt, so, als wären wirklich jene fern aufgetauchten Figuren, die er vom Felsen aus gesichtet hatte, Verfolger und Feinde. Aber im Lauf der ersten Wanderstunde verließ ihn die ängstliche Eile, die Bewegung ermüdete ihn wohltätig, und während der ersten Rast, zu welcher er sich jedoch keinen Imbiß gönnte - es war ihm heilige Gewohnheit geworden, vor Sonnenuntergang keine Speise zu sich zu nehmen
    -, begann schon seine Vernunft, im einsamen Denken geübt,
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sich wieder zu ermuntern und sein triebmäßiges Handeln begutachtend abzutasten. Und sie mißbilligte dies Handeln, so wenig vernünftig es scheinen mochte, nicht, sondern sah ihm eher mit Wohlwollen zu, denn zum erstenmal seit geraumer Zeit fand sie sein Tun harmlos und unschuldig. Es war eine Flucht, die er angetreten hatte, eine plötzliche und unüberlegte Flucht zwar, aber keine schmähliche. Er hatte einen Posten verlassen, dem er nicht mehr gewachsen war, er hatte durch sein Weglaufen sich selber und dem, der ihm zusehen mochte, sein Versagen eingestanden, er hatte einen täglich wiederholten, nutzlosen Kampf aufgegeben und sich als den Geschlagenen und Unterlegenen bekannt. Dies war, so fand seine Vernunft, nicht großartig, nicht heroisch und heiligmäßig, aber es war aufrichtig und schien unumgänglich gewesen zu sein; er wunderte sich jetzt darüber, daß er diese Flucht erst so spät angetreten, daß er es so lange, so sehr lange ausgehalten hatte.
    Den Kampf und Trotz, in dem er sich so lange auf dem verlorenen Posten gehalten hatte, empfand er jetzt als einen Irrtum, vielmehr als einen Kampf und Krampf seiner
    Selbstsucht, seines alten Adam, und meinte jetzt zu verstehen, warum dieser Trotz zu so üblen, ja teuflischen Folgen geführt hatte, zu solcher Zerrissenheit und Gemütserschlaffung, ja zu dämo- nischem Besessensein vom Wunsche nach Tod und
    Selbstvernichtung.
    Wohl sollte ein Christ dem Tode nicht Feind sein, wohl sollte ein Büßer und Heiliger sein Leben durchaus als ein Opfer betrachten; aber der Gedanke an freiwillige Tötung war ganz und gar ein teuflischer und konnte nur in einer Seele entstehen, deren Meister und Hüter nicht mehr Gottes Engel, sondern die bösen Dämonen waren. Eine Weile saß er ganz verloren und betreten und

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