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Das Glueck einer einzigen Nacht

Das Glueck einer einzigen Nacht

Titel: Das Glueck einer einzigen Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Bryan
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nicht zu kompromittieren. Niemand bemerkte, daß sich der alte Festus Crawford einen Stuhl herangezogen und sich zu ihnen gesetzt hatte. „He, Leute! Amüsiert ihr euch gut?“ begrüßte er sie, wobei er seinen Kautabak heftig im Mund hin und her schob.
    „Ja, der Clan ist wieder einmal zusammen.“ Mason Hershell, der Außenseiter, konnte sich diese anzügliche Stichelei nicht verkneifen.
    Festus, der weder mit Verstand noch mit übermäßig viel Feingefühl gesegnet war, fiel sofort mit der Tür ins Haus. „Ihr wißt wahrscheinlich auch schon, daß Barbara Logan wieder im Lande ist. Sie ist heute früh in einem Superschlitten bei meiner Tankstelle vorgefahren. ‚Volltanken’, hat sie gesagt. Nicht einmal begrüßt hat sie mich.“
    „Ja, wir wissen es. Sie hat uns heute abend höchstpersönlich mit ihrer Anwesenheit beglückt“, schnitt Mason ihm das Wort ab. Der alte Mann langweilte ihn.
    „Aber ich wette, ihr wißt nicht, wen sie bei sich hatte!“ Festus grinste triumphierend.
    „Wen denn?“ Alle waren überrascht, daß ausgerechnet Lurlene Hershell so erpicht auf Neuigkeiten war.
    „Einen Burschen.“ Festus war offenbar nicht bereit, die Details so ohne weiteres preiszugeben. Er wollte gebeten werden, sich in der allgemeinen Aufmerksamkeit sonnen.
    „Ist das alles?“ Rachels hohe Stimme klang richtig schrill. „Er ist bestimmt nicht aus dieser Gegend. Wie sah er aus, wie hat er sich benommen?“
    „Laßt mich mal nachdenken.“ Um sie auf die Folter zu spannen, legte der Alte eine lange Kunstpause ein. Er schien angestrengt nachzudenken. „Soweit ich mich erinnere, war es ein kleiner Bursche. Wie er sich benahm, kann ich euch nicht sagen, weil er geschlafen hat. Aber ich kann euch erzählen, wie er aussieht.
    Oder besser gesagt, wem er ähnlich sieht.“ Wieder hielt er inne, um seine Geschichte in die Länge zu ziehen.
    „Zum Teufel mit dir, Festus Crawford! Hör endlich auf, um den heißen Brei herumzureden, und erzähl uns die ganze Geschichte!“ fuhr Marybeth den Alten an.
    „Okay, okay. Ich bin ja schon dabei. Kein Grund zur Aufregung, Marybeth. Also, sie hatte einen Jungen dabei. Und weil der genauso rote Haare hatte wie sie, würde ich sagen, es war ihr Sohn.“
    „Barbara Logan hat ein Kind?“ klagte Lurlene Hershell. Sie selbst konnte keine Kinder bekommen.
    „Jawohl! Und das ist noch nicht alles.“ Festus hatte jetzt die volle Aufmerksamkeit der Tischrunde, und er genoß dieses seltene Glück. „Ich habe selbst drei Jungen, und deswegen kann ich das Alter des Burschen ganz gut schätzen. Also, ich gehe jede Wette ein, daß er knapp zehn Jahre alt ist. Das gibt einem doch zu denken, nicht wahr?“ Wieder verzog er den Mund zu einem breiten Grinsen. „Ich nehme nicht an, daß einer der Herren den Drang verspürt, die Vaterschaft anzumelden, oder?“ Diesmal weitete sich sein Grinsen zu einem unangenehmen, spöttischen Lachen aus, das jedem am Tisch noch lange in den Ohren klang.

2. KAPITEL
    Marvin Farrett stand auf der Terrasse seines Hauses und blickte über das Tal und die endlosen Hügelketten, über denen der Sommermorgen heraufdämmerte.
    Doch während er sonst Kraft aus der Schönheit des anbrechenden Tages schöpfte, nahm er heute nichts davon wahr.
    Alles, was er heute früh vor sich sah, war das Gesicht einer unvergeßlich schönen Frau und das eines toten Mannes – Visionen, die ihm in der Nacht den Schlaf geraubt hatten. Seit zehn Jahren wurde er von ihnen verfolgt. Was er auch tat, wohin er auch ging, sie ließen ihn nicht los. Marvin stellte den Fuß auf das Geländer der Terrasse, stützte den Ellenbogen aufs Knie und legte das Kinn in die Hand. Er war es so leid, ständig mit seinem Gewissen hadern zu müssen. Wenn nur Barbara nicht zurückgekommen wäre! Denn jetzt stürzten ihn seine Gefühle in einen tiefen Konflikt: Er war sich nicht sicher, ob er Barbara liebte oder ob er sie haßte.
    Müde blickte er zu dem Tal hinüber, in dem das Haus ihrer Großmutter stand.
    Wie gut konnte er sich an den Wildfang mit dem roten Haarschopf erinnern.
    Einmal hatte sie hoch oben in einem Baum gesessen und spöttisch gekichert, als er direkt unter ihr vom Pferd gefallen war. Beschämt war er aufgesprungen und hatte ihr einen bösen Blick zugeworfen, während er sich den Staub von den Hosen klopfte. Doch sie lächelte ihn nur an. Durch und durch war ihm das gegangen. Dabei ließ sie ihre langen Beine mit den weißen Turnschuhen vom Ast baumeln und sagte: „Du kannst ja

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