Das Glueck einer einzigen Nacht
glänzenden Haarsträhnen aus der Stirn und betrachtete voller Bewunderung ihr schönes Gesicht. Jenes Gesicht, das er so oft in seinen Träumen vor sich gesehen, das er sich in so vielen einsamen Momenten ins Gedächtnis zurückgerufen hatte. „Aber jetzt wird in unserem Leben kein Platz mehr sein für Tränen. Ich habe dich damals geliebt, Barbara.
Aber nicht annähernd so tief wie heute.“
Barbara traten die Tränen in die Augen. „Dann hast du mir vergeben, daß ich dir Danny so viele Jahre vorenthalten habe?“
Er zog sie an sich, bedeckte ihre Stirn mit zärtlichen Küssen. „Wenn wir jetzt anfangen, einander um Vergebung zu bitten, verschwenden wir nur noch mehr kostbare Zeit.“
„Eines möchte ich gern noch erfahren, Marvin. Und dann lassen wir die Vergangenheit ruhen, das verspreche ich dir.“ Sie spürte, wie er sie enger an sich zog, als fürchte er ihre nächsten Worte. Sie blickte in seine blauen Augen und strich ihm zärtlich über die Wange. „Wie hast du die Wahrheit über Danny herausgefunden?“ fragte sie.
Sie sah die Erleichterung in seinem Blick, als er ihre Hand nahm und sie verstohlen küßte. „Edward hat es mir verraten“, sagte er seufzend. Und auf ihren verwirrten Blick hin fügte er erklärend hinzu: „Ich habe seine Tagebücher gelesen.“
Dann schmiegten sie sich eng aneinander und sanken tiefer in die weichen Kissen. Draußen hatte ein leichter Herbstregen eingesetzt, der die rötlichen Hügel in feinen Nebel hüllte.
Es war eine stille Zeit – eine Zeit für zarte Berührungen, geflüsterte Worte und zärtliche Liebe, eine Zeit der Ernte, des Überflusses und der Freude. Als Marvin ihre Körper vereinte und ihre Liebe den Rhythmus des fallenden Regens annahm, verband ein stilles Glück ihre Herzen, ebenso wie die Leidenschaft ihre Körper miteinander verschmelzen ließ. Diese Liebesnacht bedeutete für sie ein Neuanfang. Keine dunklen Geheimnisse, kein Kummer würde mehr zwischen sie kommen, denn sie waren endlich eins geworden.
Eine Woche später, an einem Herbstnachmittag, löste Marvin die Verpflichtung ein, die er vor über einem Jahrzehnt eingegangen war.
Ganz Farretts Corner nahm an der Feier teil. Schließlich war der Anlaß fast ebenso bedeutsam wie das Mittsommernachtsfest. Im Schein der warmen, goldenen Herbstsonne stand das Paar auf dem Land der Farretts und wiederholte die Worte des Pfarrers.
Im gestärkten Sonntagskleid saß Grandma Logan freudestrahlend in der ersten Reihe der Gäste. Hin und wieder tupfte sie sich mit ihrem weißen Taschentuch die Augen oder blickte stolz in die Runde. Einigen Gästen nickte sie höflich zu, als wollte sie sagen: Ist das nicht ein herrlicher Tag für eine Hochzeit?
Wie es das Protokoll verlangte, stand der Trauzeuge, Danny Farrett, rechts neben seinem Vater. In seinem neuen Anzug und der Krawatte sah er sehr erwachsen aus, und entsprechend benahm er sich auch. Aber nur bis zu dem Moment, wo er den Ring übergeben sollte: Anstatt ihn seinem Vater einfach in die Hand zu drücken, zögerte er, grinste dann vor Freude über beide Wangen, küßte seine Mutter und fiel seinem Vater um den Hals. Erst dann gab er ihm endlich den Ring.
„Sie dürfen jetzt die Braut küssen“, ließ sich die melodische Stimme des Pfarrers nach der Trauung vernehmen.
„Jetzt kommt das Beste“, flüsterte Danny vorlaut.
„Ich weiß, mein Sohn.“ Bedächtig nahm Marvin Barbara in seine Arme und küßte sie mit einer Hingabe, die seine tiefe Liebe zu ihr verriet. Jeder der Anwesenden spürte den Zauber, der die beiden umgab. Danny jedoch, dem solche romantischen Gefühle noch fremd waren, brach schließlich den Bann.
Er stieß einen schrillen Pfiff aus und rief: „Mensch, Marvin, das ist vielleicht ein Kuß!“
Sofort fuhren seine Eltern auseinander. Mit einem zaghaften Lachen versuchten sie ihre Verlegenheit zu überspielen, während Marvin seinem vorlauten Sohn mit rauher Zärtlichkeit durch die Locken fuhr.
Im Nu war das Brautpaar von Gratulanten umringt. Barbara hatte gerade noch Zeit, ihre Großmutter zu umarmen, bevor sie ihren neuen Pflichten als Hausherrin nachkommen mußte. Während sie die Hochzeitstorte aufschnitt und an die Gäste verteilte, fiel ihr Blick immer wieder auf ihren gutaussehenden Mann. Marvins Frau zu sein, war mehr, als nur die Erfüllung eines langen Traums. Es war ihre Bestimmung, die ihr vom Schicksal vorgezeichnet war. Und obwohl es vieler Jahre und schmerzhafter Erfahrungen bedurft hatte, wußte sie,
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