Das Glück einer Sommernacht
Weise in ihrem Leben herumstöberte?
Dank der schockierenden Informationen, die sie im Internet gefunden hatte, kreisten ihre Gedanken jetzt allerdings mehr denn je um diesen Mann. Es war etwas an ihm, das sie einfach nicht losließ. Etwas in der Art, wie er seinen Ärger ausdrückte. Wie er die Welt anflehte, ihn in Ruhe zu lassen. In seinen unglaublichen grauen Augen lag eine Verzweiflung, die viel mehr verriet als nur die schlechte Laune eines mürrischen Einsiedlers.
Wie war er wohl vor seiner Scheidung gewesen? Lebensfroh? Lustig? Sie versuchte sich vorzustellen, wie er lachte. Aber es gelang ihr nicht.
Wie traurig! Sogar sie fand hin und wieder eine Gelegenheit zu lachen.
Es war weit nach Mitternacht, als sie wieder nach Nuttingwood zurückkehrte. Sie wäre schon früher wieder da gewesen, aber kaum hatte sie den Gasthof verlassen, war ein gewaltiges Gewitter losgebrochen. In dem sintflutartigen, peitschenden Regen und ohne Straßenbeleuchtung hatte sie auf der Rückfahrt teilweise keine zwanzig Meter weit gesehen. Prompt verpasste sie die Gabelung mit der großen Kiefer und musste irgendwann kehrtmachen.
Zum Glück brannte nirgends mehr Licht im Haus, als sie die Auffahrt hinauffuhr. Vermutlich ging Alex Markoff ihr jetzt ebenso aus dem Weg wie sie ihm. Sie rannte unter Blitz, Donner und prasselndem Regen zur Haustür. Kaum hatte sie die Schwelle übertreten, stieß sie sich die Hüfte an dem Marmortisch im Eingang. Leise auf sich selbst schimpfend tastete sie sich an der Wand entlang zum Lichtschalter. Warum hatte sie kein Licht angelassen, als sie weggefahren war?
Endlich fand sie einen Schalter und drückte darauf. Aber nichts passierte. Sie drückte ein zweites Mal. Und noch mal.
„Sie verschwenden bloß Ihre Zeit.“
Ein Blitz zuckte. Er tauchte den Raum für einen Moment in grelles Licht, und Kelsey erhaschte einen Blick auf eine dunkle Gestalt am Wohnzimmerfenster.
„Es nützt nichts“, erklärte Alex Markoff. „Seit einer halben Stunde haben wir kein Licht mehr.“
Kelsey trat ein wenig näher. Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an das Dunkel, und sie sah, dass er sich die Nackenmuskeln massierte. Sein Haar war verwuschelt, er trug nur eine lose Jogginghose am Körper. Und sonst nichts. Er musste schon im Bett gelegen haben, als das Gewitter losbrach.
Sie konnte den Blick von ihm nicht abwenden. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft wurde Kelsey bewusst, dass sie dieses Haus in den Wäldern mit einem Mann teilte. Einem sehr gut aussehenden, sehr begehrenswerten Mann. Bei der plötzlichen Erkenntnis begannen ihre Knie zu zittern, und eine warme Welle durchlief sie vom Kopf bis zu den Füßen.
„Passiert das oft?“, fragte sie. „Ich meine, Stromausfälle?“ Nur um zu wissen, wie oft sie sich hier wohl noch so im Finstern begegnen würden. Ohne eine Menschenseele außer ihnen weit und breit.
„Wenn es stark genug stürmt“, entgegnete er nüchtern. Er sah konzentriert hinaus in den Garten und wandte sich ihr gar nicht erst zu. Beim nächsten Blitz konnte sie seine Miene erkennen. Er schien in Gedanken meilenweit weg zu sein.
„Und wie oft gibt es solche Stürme?“, fragte sie und trat neben ihn.
„Ziemlich oft. Im Keller habe ich einen Notstromgenerator.“
„Aber Sie haben ihn nicht angeworfen …“
„Ich mag die Dunkelheit.“
Warum überrascht mich das nicht?
„Haben Sie etwas gesagt?“
„Nichts Wichtiges.“ Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte. Schnell wechselte sie das Thema. „Ein beeindruckendes Schauspiel, da draußen.“
„Ja.“
„Als ich klein war, hat mir einmal eines der anderen Pflege… äh … Kinder erzählt, Donner und Blitz seien Angriffe von Außerirdischen. Das hat mir solche Angst eingejagt, dass ich mich für Stunden unter der Decke verkrochen habe.“ Sie erinnerte sich lebhaft daran, wie sie sich unter der Decke zusammengekauert hatte, den Becher ihrer Mutter wie einen Talisman an sich gedrückt. „Kinder fallen auf alberne Dinge herein, nicht?“
„Nicht nur Kinder.“ Er sprach so leise, dass sie ihn kaum hörte.
„Was haben Sie gesagt?“
„Nicht wichtig.“
Ihr Gefühl sagte ihr etwas anderes, aber sie schwieg. Die Wahrheit würde er ihr ohnehin nicht erzählen. Zum x-ten Mal warf sie einen verstohlenen Blick auf sein Profil, aber im Dunkel war sein Gesichtsausdruck unmöglich zu deuten.
Auf einmal schien alles viel intimer und näher zu sein. Kelsey spürte die Wärme, die von seinem
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