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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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Rollstühle wie Möbelstücke – am liebsten vor dem Computer, das fand er bequem. So etwas hat vor ihm und nach ihm nie wieder jemand gemacht. Für die meisten Leute ist das so, als würden sie jetzt schon mal probieren, wie das wäre, wenn sie später selbst an den Rollstuhl gefesselt wären … als würden sie damit einen schweren Schicksalsschlag geradezu herausfordern.
    Für mich war dieses lockere Verhältnis von Markus zu meinem Sitzmöbel auf Rädern wunderbar. Andi war diesbezüglich nicht so souverän gewesen – aber ihn erinnerte der Rollstuhl ja auch an einen Verlust. Er zeigte ihm, dass Ines nicht mehr gehen konnte. Markus kannte mich nur als Rollstuhlfahrerin. So war es normal. Das begeisterte mich, und ich fand ihn schlichtweg umwerfend. Nicht nur, weil er mich so oft zum Lachen brachte und so unbeschwert an die Dinge heranging. Ich fand ihn einfach cool. Mit seinem Tattoo am Arm, seinem Stoppelschnitt und dem ganzen Drumherum. Er war mein Held. Und wenn er mit ruhiger Hand im Muscle Shirt seinen roten Flitzer durch die Gegend steuerte und die Musik aus den Boxen wummerte, meine Haare im Wind flatterten – ja dann gehörte uns die Welt!
    Markus war vierundzwanzig, ich zwanzig. Gerade hatte er sein Abi auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt, ich hatte meine Lehre zur Hotelkauffrau beendet. Als meine Chefin mir zu meinem guten Abschluss gratulierte, den ich immerhin in eineinhalb Jahren geschafft hatte, ließ sie mich augenzwinkernd wissen, dass ich besser abgeschnitten hatte als die anderen Azubis, die länger Zeit zum Lernen gehabt und nicht den Ausbildungszweig gewechselt hatten. Das freute mich sehr.
    Markus und ich standen beide auf Start. Wir wussten nicht genau, wie es weitergehen sollte, sicher war lediglich, dass wir zusammenbleiben wollten. Markus spielte mit dem Gedanken, Wirtschaftsinformatik zu studieren, was in Bayreuth aber leider nicht möglich war.
    »Wenn ich einen Job finde, dann komme ich zu dir«, versprach ich ihm.

    Markus’ Mutter arbeitete in einem Reisebüro und erkundigte sich für mich bei verschiedenen Hotels. So bewarb ich mich in Zweibrücken im Hotel Rosengarten – und wurde eingestellt. Für die Rezeption! Dort, wohin es mich von Anfang an gezogen hatte und wo ich leider im Schlosshotel nie angekommen war, weil ich in meiner Ausbildung zuerst die Bereiche Restaurant und Housekeeping durchlaufen hatte – und dann war es zu spät gewesen. Es war mutig vom Rosengarten, eine Frau im Rollstuhl im Empfangsbereich zu plazieren – noch dazu, wo man mich kaum sah. Mein Kopf ragte knapp über die Theke. Es war aber auch wirtschaftlich günstig für den Rosengarten, eine Mitarbeiterin im Rollstuhl zu beschäftigen, da der größte Teil meines Gehalts vom Arbeitsamt übernommen wurde.
    Für Markus und mich erfüllte sich ein Traum. Wir suchten eine Wohnung in Homburg und wurden dabei von der Hauptfürsorgestelle unterstützt. Die vorgeschlagene Wohnung war zwar nicht groß, doch wir würden ohnehin nicht oft zu Hause sein. Leider gab es Probleme bei der Verlegung des Linoleums, das musste sein, damit ich mit dem Rollstuhl zurechtkam. Der Boden wollte und wollte nicht trocknen, und wir zogen übergangsweise in das Haus von Markus’ Mutter, da ich selbst in Bayreuth schon alles aufgelöst hatte.
    Nun begann eine nervenaufreibende Zeit, denn Markus musste mich ständig rauf- und runtertragen, wenn ich nicht bei ihm im Zimmer blieb und in einen Beutel katheterisierte. Ohne ihn kam ich auch nicht zur Arbeit – wie sollte ich die steile Wendeltreppe meistern? Markus blieb gelassen. Helden sind nicht aus der Fassung zu bringen. Auch diese Wartezeit ging vorüber, und wir zogen in unsere erste gemeinsame Wohnung. Doch die große Freude hielt nicht lange an, denn schon nach wenigen Wochen mussten wir feststellen, dass die Wände feucht waren, und das ist noch beschönigend: Sie waren klatschnass.
    »Was ist das eigentlich?«, fragte Markus eines Morgens und wies an die Wand im Schlafzimmer.
    Ich rappelte mich im Bett hoch und kniff die Augen zusammen: »Keine Ahnung.«
    Da sprang Markus aus dem Bett. »Ich glaub es nicht!«, rief er. »Das sind die Stufen zum Garten. Die drücken sich an der Wand ab!«
    Zuerst musste ich lachen, weil mir das so verrückt vorkam. Doch als Markus den Schlafzimmerschrank beiseiteschob, verging mir das Lachen: alles verschimmelt, sogar die Rückwand des Schranks!

Privileg Behinderung
    »Ja hallo, mein Name ist Ines Korb. Sie haben eine Wohnung

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