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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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verstehen gab, dass ich kein Interesse an einer Beziehung mit ihm hatte, begann der Telefonterror. Tag und Nacht. Ich stellte Telefon und Handy lautlos, sonst hätte ich nicht schlafen können. Doch auch so schlief ich schlecht, denn ich erkannte anhand der Displays, dass er pausenlos anrief. Zudem wohnte ich in einer Erdgeschosswohnung und war ganz allein. Nun fast, Marcky war bei mir. Doch würde Marcky mir helfen können? Dieses Gefühl der Verletzlichkeit im eigenen Reich war sehr unangenehm. Im ersten oder zweiten Stock hätte ich mich wohler gefühlt. Zum Glück gab es meine Nachbarn. Mit Jacqueline vereinbarte ich ein Alarmzeichen.
    Eines Tages mailte mir der Stalker auch noch. Das vermutete ich zumindest, denn im Chat nannte sich einer Sir Lancelot, und ich wusste, dass der vermeintliche Stalker diesen mittelalterlichen Sagenhelden verehrte. Ich nahm mir vor, so zu tun, als wüsste ich das nicht, und mich dem Feind zu nähern. So würde ich den Spuk vielleicht beenden können, womöglich mit Hilfe der Polizei. Ich wusste, wer er war, er wusste nicht, dass ich es wusste. Doch in Wirklichkeit wusste ich auch nichts, wie sich bald herausstellte.
    Sir Lancelot kam als Freund: Markus hatte die Startrampe zufällig entdeckt, als er für eine Freundin, die Katheter verkaufte, im Internet recherchierte, und war dann bei Rollmaus hängengeblieben. Wir chatteten. Stundenlang. Dann telefonierten wir. Auch stundenlang. Sobald wir aufgelegt hatten und im Bett lagen, er im Saarland, ich in Bayern, schickten wir uns SMS. Zu Beginn unserer Telefonate hatte ich große Probleme mit Markus’ Dialekt. Ich verstand ihn manchmal kaum. Oft sagte ich »Ja«, ohne zu wissen, worauf.
    »Isch han geschda noch geleert.«
    »Aha«, erwiderte ich und überlegte, was er geleert hatte. Mülleimer? Briefkasten? Bier?
    »Ei du wäschd doch, dass bei mir’s Abi aanstehd.«
    »Ach so, das Abi, na klar!«
    Aber was er dafür leeren musste?
    Markus verstand mich einwandfrei. Seit ich im Hotel arbeitete, feilte ich an meinem sächsischen Dialekt. Er war schon fast weg.
    Meine Mutter war begeistert, als sie mitbekam, dass die ständigen Anrufe, die unser Familientreffen an einem Wochenende unterbrachen, von einem Saarländer stammten. Sie konnte nicht genug von Gerd Dudenhöffer in seiner Rolle als Heinz Becker aus Bexbach und vor allem von diesem Dialekt kriegen.
    Eines Tages reichten Markus und mir die Telefonate nicht mehr. Wir verabredeten ein Wochenende, an dem Markus mich besuchen sollte. Obwohl ich glaubte, dass er kein Amelo war, vereinbarte ich mit meiner Nachbarin Jacqueline, dass sie hin und wieder nach dem Rechten sehen sollte.
    »Lass den Vorhang einen Spalt offen, dann kann ich durch die Terrassentür reinschauen«, schlug sie vor.

Rendezvous mit Anstandsdame
    Wie Markus mal ausgesehen hatte, wusste ich. Sein Bild stand im Netz. Doch es war ein altes Bild und zeigte einen Sechzehnjährigen mit einem schön geschnittenen, ovalen Gesicht und langen Haaren. Und wie sah er jetzt aus? Er schickte ein Foto, und ich kippte fast um. Mit den kurzen Haaren erinnerte er bei schummriger Beleuchtung und mit einer Portion Fantasie an Bruce Willis, meinen Lieblingshelden.
    Am Freitag fuhr ich auf und ab und auf und ab. Wann würde Markus’ Auto in die Einfahrt abbiegen? Ich war nicht nur nervös, weil ich Herrenbesuch bekam. Das war auch nicht mein erster persönlicher Kontakt zu einem Fußgänger-Chat-Partner. Ich war nervös, weil ich jetzt schon verliebt war in diesen Saarländer mit der schönen Stimme. Ich war keine Rollstuhlfahrerin, die befürchtete, nie mehr eine Beziehung zu führen. Ich war eine junge Frau von zwanzig Jahren mit Herzklopfen vor einem Rendezvous.
    Röhrend bog der rote Flitzer in den Hof. Was tun? Rausrollen? Neben der Tür warten? Ich überließ Marcky den Job, die Situation zu entkrampfen, und er machte genau das Richtige, indem er seine gute Erziehung vergaß und begeistert an Markus hochsprang.
    Wow, sah der gut aus! Er küsste mich rechts und links auf die Wange. Wow, roch der gut! Und dann redeten wir über Hundeerziehung, Hundehaare, Hundekuchen und arbeiteten uns währenddessen zum Sofa vor, wo ich für Tee, Kaffee und Kuchen gedeckt hatte. Ich bekam kaum einen Bissen runter. Markus sah noch viel besser aus als auf dem Foto. Seine braunen Augen leuchteten so warm. Und wie sein mitreißendes Lachen das schöne Gesicht zum Strahlen brachte! Schlank und muskulös der ganze Rest. Ich fühlte mich sehr wohl in seiner

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