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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Kiefer
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wieder, auch am übernächsten und dann alle Wochenenden. Sobald wir Jacqueline trafen, lachten wir uns alle drei schepps. Die Fragen nach irgendwelchen Gefälligkeiten – »Hast du mal ein Pflaster für mich?«, »Kann ich mal eben schnell deine Toilette benutzen?« – wurden zum Running Gag, den auch der kleine Jannik begeistert aufgriff – ohne zu verstehen, was daran so lustig war.
    Ostern brachte Markus seinen Kumpel Olli mit, obwohl ich die Bude bereits voll hatte mit meinen Eltern und meiner Tante. Das große Camping verlief unkompliziert. Olli und mein Vater schliefen im Wohnzimmer, meine Mutter und meine Tante im Gästezimmer. Ich behielt mein Bett und teilte es natürlich mit Markus. Meine Mutter und Tante konnten sich kaum satthören an Markus’ Dialekt, und sobald Markus und Olli sich unterhielten, wuchsen ihre Ohren förmlich – egal, um welches Thema sich die Unterhaltung drehte. Hauptsache Familie Becker ließ grüßen.
    »Haschde am Samschda aa dei Audo gewäschd? Meiner war am Samschda an’d Reih. Der hat’s bidda needisch gehad. Do wa schun e halwi Sandkaul im Fußraum.«
    Die Harmonie bei diesem kleinen Familientreffen machte mich sehr glücklich. Und als Markus nach einigen Wochen kurzfristig einen Besuch absagte, weil er seiner Mutter helfen wollte, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf: »Dann komm ich zu dir!«

Zug um Zug: Umzug
    Diese lange Strecke bis ins Saarland war eine Herausforderung für mich, und wie immer in solchen Situationen: Zuerst habe ich keine Ahnung, wie ich das schaffen soll, dann macht es mir Spaß, und zum Schluss freue ich mich über den Erfolg. Aufgeregt verstaute ich den Rollstuhl im Auto. Meine bislang weiteste Fahrt nach Freiberg dauerte zweieinhalb Stunden – fast ein Katzensprung gegen die vier Stunden, die mir jetzt bevorstanden. Alles klappte prima. An einem Parkplatz hielt ich an und machte, ohne auszusteigen, diskret Pipi in einen Beutel.
    Wenn ich im Auto sitze, bin ich »normal«. Andere sehen mich als Verkehrsteilnehmerin, nicht als Rollstuhlfahrerin. Im Auto muss jeder sitzen, ob er seine Beine spürt oder nicht. Da machte mir das Flirten besonders Spaß. Überholst du mich, überhol ich dich – und es gibt kaum eine bessere Gelegenheit, jemandem schöne Augen zu machen, als im Stau. Was soll man da sonst auch groß anstellen, außer mal zu gucken, wer so neben einem steht. Mein Civic Coupé war ein cooler Flirtflitzer mit getönten Scheiben. Auf der Fahrt zu Markus gab es keinen Stau – und das machte mir überhaupt nichts aus, ganz im Gegenteil.
    Markus wohnte bei seiner Mutter im Haus. Sie wusste am Anfang nicht, dass die Freundin ihres Sohnes im Rollstuhl saß. Markus hatte es bislang verschwiegen. Jetzt würde er es allerdings nicht mehr verheimlichen können.
    »Mutter, ich muss dir noch was sagen«, eröffnete er ihr kurz bevor ich ankam.
    »Ja?«
    »Also es ist nämlich so … Also die Ines …«
    »Ist schwanger?«, vollendete seine Mutter.
    »Nein, sie sitzt im Rollstuhl.«
    »Ja und?«, fragte seine Mutter. Und genauso behandelte sie mich. Es spielte keine Rolle, und ich fühlte mich von den Haarspitzen bis zu den Rädern willkommen. Leider war das Haus eine Katastrophe für Rollstuhlfahrer. Das Klo befand sich im Keller, Markus’ Zimmer unter dem Dach, dazwischen Küche und Wohnzimmer. Da konnte Markus beweisen, wie stark er war, denn er musste mich ständig Treppen rauf- und runtertragen. Bei frisch Verliebten wie uns fiel das kaum ins Gewicht. Überhaupt war mit Markus alles leicht und locker. Er machte sich keine Gedanken, warum irgendetwas irgendwie war. Da wurde nicht groß gegrübelt und gehadert. Der Rollstuhl war kein Thema für ihn.
    »Ich hab mich in diese hübsche Frau verliebt. Dass sie im Rollstuhl sitzt, hat doch damit nichts zu tun«, war seine Standardantwort, wenn das Gespräch in eine gewisse Richtung zielte. Wir wurden allerdings selten auf unsere Konstellation angesprochen – vielleicht, weil wir sie so selbstverständlich lebten.
    Markus war zu meiner Freude ein super Rollstuhlschieber, dem ich mich vorbehaltlos anvertraute. Mit Begeisterung lernte er selbst einige Kunststücke im Rollstuhl, das Kippen hatte er im Handumdrehen raus. Nun, vielleicht ist das für einen Fußgänger prinzipiell leichter, wenn man jederzeit auf Beinbetrieb umstellen kann oder in einer Gefahrensituation einfach mal aus dem Stuhl springt, die Knie beugt und abfedert.
    Bei mir zu Hause behandelte Markus meine beiden

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