Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
stark für mich«, gab Markus auf.
»Sag bloß, das merkst du jetzt erst?«, schäkerte ich locker – denn ich hatte eine Idee.
»Wie lange bist du noch im Laden?«, fragte ich den Tattoo-Meister.
»Zwei Stunden.«
»Mein Arzt hat seine Praxis drei Straßen entfernt von hier. Ich lasse mir eine Betäubungsspritze geben, und dann machen wir weiter, okay?«
Er zögerte: »Wenn du meinst …«
»Ja, das meine ich.«
»Okay«, willigte er ein, während Markus mich anstarrte, als wäre ich verrückt geworden.
Ungefähr genauso schaute mich auch der Arzt an, als ich ihm erklärte, was ich wollte, nachdem ich mich an den Patienten im Wartezimmer vorbeigedrängelt hatte. Ich war ein Notfall. Der Tattoo-Shop würde in zwei Stunden schließen.
»Sie wollen bitte was?«, fragte der Arzt.
»Ganz schnell eine Spritze, damit ich mich am Knöchel tätowieren lassen kann!«
»Und wie soll ich das abrechnen?«
»Das zahle ich bar.«
»Und wo soll ich spritzen? Ich muss das genau wissen.«
Markus deutete auf meinen Knöchel: »Hier in der Gegend.«
»Eine Gegend ist mir zu unpräzise. Ich muss es genau wissen.«
»Wir sind in zehn Minuten wieder zurück!«, kündigte ich an.
Vom Meister ließ ich mir eine Vorlage aufs Bein zeichnen. So konnte der Arzt exakt betäuben, wobei mein Bein auch ausschlug, was ich solidarisch von ihm fand, da der Arzt auf diese Weise deutlich erkannte, dass ich wirklich ein Notfall war.
»Ja, ja, das ist die Oberflächensensibilität«, sagte er mehr zu sich als zu uns. »Die Tiefensensibilität für Schmerz, Hitze, Kälte ist weg. Ihr rechter Fuß ist auch besser durchblutet, oder?«
Ich nickte: »Der linke wird schneller mal blau als der rechte, ich nehme an, weil er schlechter durchblutet wird.«
»Ich erinnere mich, das haben wir schon einmal getestet. Gut, dass Sie zu mir gekommen sind, Frau Korb. Und jetzt viel Vergnügen bei Ihrem Termin – und wenn wir uns wiedersehen, zeigen Sie mir das Kunstwerk. Aber das ist dann kein Notfall, in Ordnung?«
»Klar!«, grinste ich.
Mein Tribal wurde wirklich ein kleines Kunstwerk und ich konnte mich kaum daran sattsehen. Auch andere sollten es bewundern – zum Beispiel Manu. Ihr wollte ich das Tattoo so bald wie möglich vorführen, als würde es sonst verblassen, und da sie nicht zu mir kam, besuchte ich sie in Freiberg.
»Cool!«, nickte Manu anerkennend.
Wir gönnten uns eine Riesenportion Eis, und danach wollte ich mir ein neues Handy kaufen, ein wirklich stabiles, das auch einen Sturz vom Rollstuhl überleben würde – das hatte meinem alten nämlich das Genick gebrochen.
Bewundernd schaute Manu mir beim Autofahren zu. Ich kam mir vor wie ein Alien.
»Hey, das ist ganz einfach, das könntest du auch!«
»Alles mit einer Hand!«
»Es ist nicht schwer.«
»Du gibst Gas wie bei einem Motorrad?«
»Ja.«
»Hat es lange gedauert, bis du dich daran gewöhnt hast?«
»Nein, das ging ganz schnell.«
»Und was machst du, wenn du zum Beispiel mal schneuzen musst oder eine neue CD einlegst?«
»Dann lass ich das Gas los, und die hinter mir überholen mich vielleicht und denken: Typisch Frau am Steuer, mal gibt sie Gas, mal nicht.«
Manu kicherte.
»Das heißt, dass ich oft in den Rückspiegel schauen muss«, ergänzte ich. »Also besonders, wenn ich das Gas loslasse.«
Leider konnte ich Manu nicht zeigen, wie souverän ich einparke, denn die Behindertenparkplätze in der Stadt waren alle besetzt. Dabei entdeckte ich nur an einer Windschutzscheibe einen Berechtigungsausweis. Schade, dass so viele Menschen diese Parkplätze gedankenlos besetzen. Es geht hier nicht nur um eine kürzere Wegstrecke für einen behinderten Menschen, viele Plätze sind extra breit, damit man einen Rollstuhl ausladen kann, und der Bordstein ist oft abgesenkt. Nach einer zehnminütigen Suche parkte ich auf einem normalen Längsparkplatz, und als wir zwei Stunden später mit einem neuen Handy und ein bisschen Schnickschnack zurückkamen, war mein Auto dermaßen eingeparkt, dass ich mit meinem Rollstuhl nicht mehr zum Auto fahren konnte.
»Diese Idioten!«, regte Manu sich auf.
Ich regte mich nicht auf. Ich war mit der Problemlösung beschäftigt, denn dieser Fall kommt häufig vor. Allerdings gehörte der muskulöse, sonnenstudiogebräunte attraktive Kerl, der uns beschwingt entgegenfederte, nicht zu den üblichen Requisiten.
»Hallo!«, winkte ich ihm zu.
»Kennst du den?«, raunte Manu beeindruckt.
»Noch nicht«, grinste ich.
Der Mann blieb
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