Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Gesellschaft.
Als Jasmin anrief und fragte, ob wir mit ins Kino wollten – klar war das verabredet, ein Hintertürchen, falls ich Markus langweilig gefunden und nicht gewusst hätte, wie ich den Abend mit ihm rumbringen sollte – sagte ich zu. Keineswegs aus Langeweile, sondern weil sie ihn kennenlernen sollte. Markus hatte die Zulassung zum Freundinnen-TÜV erhalten und wurde nun vorgeführt. Flo und Stöpsel waren mit von der Partie. Der arme Stöpsel … Doch er trug es mit Fassung und begegnete Markus offen und herzlich. Wir trafen uns zum Essen und wollten danach in die Spätvorstellung.
»Ich weiß gar nicht, was du hast, der ist doch nicht langweilig – und hässlich schon zweimal nicht«, raunte Jasmin mir zu.
»Nö.«
»Wieso kommt ihr dann mit?«
Ich grinste.
»Verstehe«, schmunzelte sie.
»Was wird hier eigentlich dauernd getuschelt?«, wollte Flo wissen.
»In Wirklichkeit willst du das gar nicht wissen«, seufzte Stöpsel mit gespielter Resignation.
Markus begriff sofort, was von ihm erwartet wurde. Im Kino trug er mich zu meinem Sitz. Den Freundinnen-TÜV hatte er bravourös bestanden, und nun bestand er auch diesen Test, der ihn darauf vorbereitete, was ihm als Partner einer Rollstuhlfahrerin bevorstünde. Markus hob mich ganz natürlich hoch und so zart, als hätte er das schon Hunderte von Malen gemacht. Während des Films griff er nach meiner Hand. Ich überließ sie ihm gern, und als wir weit nach Mitternacht nach Hause kamen, klappte ich keine Couch für ihn auf. Mein Bett war groß genug für zwei.
Samstagvormittag, wir saßen beim Frühstück, klopfte Jacqueline an die Terrassentür.
»Guten Morgen!«, trällerte sie.
Ich rollte zur Tür. Sie riss die Augen auf und gestikulierte wild. Ich nickte leicht.
»Guten Morgen!«, sagte ich und wedelte unauffällig mit der Hand. Jacqueline grinste und verschwand.
»Wer war denn das?«, fragte Markus.
»Meine Nachbarin.«
»Und die kommt jeden Tag und wünscht dir einen guten Morgen?«
»Sie ist supernett«, sagte ich, was ich zu diesem Zeitpunkt auch noch ohne Einschränkung so empfand.
Nach dem Frühstück ließ ich mich von Markus in seinem roten Flitzer durch die Gegend chauffieren und genoss einen wundervollen Frühlingstag. Die Natur war aufgeplatzt über Nacht. Ein einziges Blühen und Singen und Summen. Zarter grüner Schimmer um die Bäume. Knallgelber Goldregen, knallorange Tulpen, knallblauer Himmel. Und ich verknallt. Knallrot.
Als wir von unserer Spritztour zurück waren, fand ich meine Nachbarin allmählich nicht mehr supernett, sondern nur noch nett, denn in stündlichen Abständen klopfte sie an die Terrassentür oder klingelte. Einmal brauchte sie Mehl, dann wollte sie sich die Fernsehzeitschrift ausleihen, später bat sie um ein Pflaster, weil sich Jannik das Knie aufgeschlagen hatte, und schließlich brachte sie mir einen versehentlich bei ihr eingeworfenen Brief. Hatte sie den extra für so einen Anlass aufbewahrt? Ich staunte und war hin- und hergerissen zwischen gerührt und genervt. Doch als sie mitten in der Nacht bei mir aufs Klo musste, weil sie eine Blasenentzündung hatte und Mike die Toilette blockierte – »ich glaub, der hat sich den Magen verdorben« –, verdarb sie es sich auch mit mir. Ihrer Rolle als Anstandsdame blieb sie dennoch auch am Sonntag treu.
»Willst du ein Stück Kuchen, Ines?«, fragte sie am Vormittag. »Ach, du hast Besuch, Entschuldigung.«
»Aber die hat mich doch gestern schon mehrfach gesehen!«, wunderte Markus sich.
Ich zuckte mit den Schultern.
Eine Stunde später klopfte es an die Terrassentür: »Wir machen eine Radtour, nur damit du Bescheid weißt, ich meine, ist das okay, schon, oder?«
»Wieso fragt sie dich um Erlaubnis?«, fragte Markus mich.
»Das ist nur Gewohnheit. Sie sagt Bescheid, falls ihre Eltern kommen.«
»Ich dachte, die wohnen nicht hier.«
»Die machen manchmal so Überraschungsbesuche«, improvisierte ich.
»Aha.«
Als Jacqueline sich zwei Stunden später fröhlich zurückmeldete und vor der Terrassentür »Hallo, hallo!« krähte, legte Markus seine Hand zärtlich über meinen Mund.
»Hallo, hallo. Ist da jemand?«, fragte Jacqueline.
»Wir sind nicht da!«, rief ich, ehe sie gegen die Glastür treten würde. Dann bräuchte sie wieder Pflaster. Diesmal für sich.
Markus und ich waren weit weg, und es war sehr schön dort. Als er mich Sonntagabend verließ, glänzten seine Augen feucht.
Schon am nächsten Wochenende kam Markus
Weitere Kostenlose Bücher