Das Glück ist eine Katze
»Fein, dein unheiliger
Schinken. Woher weißt du das von dem Kind und dem Engel und den Hirten?«
»Man hat mir davon erzählt.«
»Und woher wissen die das, die dir’s erzählt haben?«
»Von jemand, der es ihnen erzählt hat.«
|152| »Und woher –«
»Die Geschichte von dem Kind und dem Engel und den Hirten«, sagte ich, energisch und um die Sache abzukürzen, »gehört zu den
großen Überlieferungen der abendländisch-christlichen Menschheit. Die muß man kennen, aber nicht glauben.« Ich stellte den
Blätterteigschinken in den Kühlschrank. »Und jetzt back ich eine Linzertorte.«
»Für die Hirten? Weil die so lang herumgelaufen sind?«
»Die Linzertorte«, sagte ich gereizt, »ist nicht für die Hirten.«
»Mögen die keine?«
»Das ist mir wurscht. Sollen sie doch Schafskäse essen. Die Linzertorte ist für Konrad und für mich gedacht.«
»Wie schmeckt eine gedachte Linzertorte?« fragte Schlumpel. »Also ich mag keine gedachten Mäuse. Nur richtige. Was machen
die Hirten, wenn sie beim Kind sind und keine Linzertorte kriegen, obwohl ihr Magen knurrt?«
»Sie gucken es an.«
»Warum?«
»Weil es ein besonderes Kind ist. Das Kind von Maria und Josef. Und das vom lieben Gott auch noch dazu.«
»Versteh ich nicht«, sagte Schlumpel. »Verstehst du das?«
|153| »Nein«, sagte ich.
»Versteht Konrad es?«
»Der erst recht nicht. Drum sind wir ja auch nicht fromm.«
»Was macht es denn in der Krippe, das Kind?«
»Es liegt halt drin. Ich vermute, es lutscht am Daumen. Oder es macht in die Windeln. Rechts steht der Ochs, links der Esel.«
»Die du geerbt hast?«
»An meiner Krippe stehen der geerbte Ochs und der geerbte Esel, beide aus Holz. Damals standen echte Tiere an der Krippe.«
»Und die haben das kapiert mit dem Kind, das vom lieben Gott ist und von der Maria auch und dazu noch vom Josef?«
»Vielleicht besser als Konrad und ich.«
»Weil sie auch heilig gewesen sind?«
»Wenn ich Linzertorte backe, darf man mich nicht stören«, sagte ich, »sonst verwechsle ich Salz und Zucker, Vanille und Zimt,
Linz und Graz, und dann ist das keine Linzertorte mehr.«
»Ich stör dich nicht«, sagte Schlumpel, »ich will nur wissen, wie das ist mit dem heiligen Kind und all dem Engelszeug und
so. Find ich interessant. Wo hat sie’s denn gekriegt, die Maria?«
»In einem Stall.«
Den Stall fand Schlumpel gar nicht so schlecht. »Da riecht’s immer gut. Und warm ist’s auch. Und |154| der Ochs und der Esel, wo du nicht weißt, ob die auch heilig sind, haben’s nicht so weit gehabt, weil sie schon dagewesen
sind. Wieviel Junge hat sie denn im ganzen gekriegt?«
»Eins«, sagte ich.
»Was? Nur eins?« Schlumpel fand das bescheiden. »Jede Katz kriegt mehr.«
»Maria«, sagte ich, »war nun mal keine Katze. Eins hat ihr gereicht.«
»Und das war heilig, das Kind?«
»So ist es. Ich meine, so sagt man.«
»Sind heilige Kinder besser als unheilige?«
»Wie man’s nimmt. Heilige Kinder sind dafür bekannt, daß sie oft Ärger machen.«
»Hat er Flügel gehabt?«
»Der Knabe? Hat er nicht.«
»Ich mein doch den Engel.«
»Ach, den. Klar hatte der Flügel. Engel sind im allgemeinen schlecht zu Fuß.«
»Kann man Engel rupfen? Wie die Hühner von unserer Eierfrau?«
»Engel rupft man nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil sich das nicht mit ihrer Würde verträgt. Unser Engel war groß, heilig und ehrfurchtgebietend. Der Glanz des Herrn umleuchtete
ihn. Was ich sehr schön gesagt finde.«
»Aber du bist doch unfromm.«
|155| »Ich find’s trotzdem wunderschön.«
»Der Glanz war wegen der Kuhnacht da«, sagte Schlumpel überzeugt. »Sonst hätten die Hirten ihn ja nicht sehen können. Ich
kann prima sehen, wenn’s Kuhnacht ist. Mit dem Schnurrbart. Hat der Engel einen Schnurrbart gehabt?«
Das entzog sich meiner Kenntnis.
»Was hat der Ochs gesagt, als er das Kind gesehen hat?«
»Muh! Und der Esel Iah! Falls du das auch noch wissen willst.«
»Was hat der Josef gesagt, wo der doch einer von den Vätern ist?«
»Der Josef hat gesagt, jetzt reicht’s aber. Das Kind braucht seine Ruh, und Maria auch. Und ich.«
»Meint er sich?«
»Jawohl. Und mich.«
»Der Josef?«
»Ich mein mich.«
»Warum brauchst du auch Ruh? Du hast es ja nicht gekriegt, das Kind.«
Ich verschob die Linzertorte auf den nächsten Tag.
»Was machst du jetzt?« fragte Schlumpel.
»Ich geh auf den Speicher und hol den Schmuck für den Christbaum. Und die Krippe. Und den
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