Das Glück ist eine Katze
Kater. Nur so ein bedauernswerter Menschenkater oder Katermensch.«
»Sie frißt wie ein Scheunendrescher«, erklärte Konrad. »Sehr unelegant. Brockelt herum. Im Schnurrbart hängt ein Lachskrümel.
Eine Schmuddelkatz eben.«
»Neulich hat er das Messer abgeschleckt«, sagte Schlumpel. »Ich hab’s genau gesehen. Er ist nachts in die Küche geschlichen
und hat sich ein Leberwurstbrot geschmiert mit sehr wenig Brot und sehr viel Leberwurst – und dann noch Senf obendrauf!«
Ich übersetzte.
»Alte Petze!« rief Konrad empört. »Wie sie dahockt! Und dieser rosa Lappen, der ihr aus dem Maul hängt!«
»Meine Schlumpel hat kein Maul«, sagte ich, »sie hat ein Schnäuzchen. Und eine sehr hübsche rosa Zunge.«
»Ich tät mich schämen, mit so einem mickrigen Schnurrbart«, sagte Schlumpel kühl. »Wer nur auf zwei Beinen laufen und sich
nicht mal zwischen den Zehen schlecken kann, der soll den Mund halten.«
|141| Und Konrad: »Als ich heute morgen mal ausschlafen wollte, ist sie stundenlang mit Holzschuhen rumgerannt. Und dann ist sie
mit ihren Dreckpfoten auf meinen Sessel –«
Und Schlumpel: »Aus seinem Schlappen guckt vorne ein Zeh raus.«
Konrad: »Solche Leute haben keinen Lachs verdient.« Er wollte das Schüsselchen wegziehen.
»Pfoten weg!« Schlumpel schmierte ihm eine und vertilgte eilig den Rest.
»Tut’s weh?« fragte ich Konrad, der sich den Finger leckte.
Er hielt die Hand anklagend hoch. »Aus mir läuft schon wieder Blut!« sagte er vorwurfsvoll und: »Das ist keine Katze, das
ist ein Vampir.«
Schlumpel hatte das aus Konrads Finger herausgelaufene Blut – es waren zwei Tröpfchen – aufgeleckt und schaute hinauf, ob
noch was käme.
»Mahlzeit!« sagte ich, und sie wankte zur Tür hinaus, weil sie mit ihrem vollen Ranzen nicht mehr aufs Fensterbrett hinaufkam.
»Der Finger muß wohl amputiert werden«, vermutete ich. »Aber ich mag dich auch ohne ihn. Neun reichen durchaus.« Und klebte
wieder mal ein Pflaster drauf. Immer, wenn Konrad seinen Besuch bei uns ankündigt, kaufe ich eine Großpackung.
|142| Am nächsten Morgen stand Schlumpel erwartungsvoll vor ihrem Schüsselchen.
Ente mit Perlhuhn
wollte sie aber nicht. Sie machte unverkennbar ein Lachs-Gesicht.
»Da hast du dir was eingebrockt«, sagte ich, »und mir auch. Die denkt natürlich, das geht so weiter.«
»So geht’s nicht weiter«, sagte Konrad, »Lachs gab ich für Liebe, und was bekam ich? Hiebe!«
In Konrad steckt nämlich ein Dichter.
»Betör sie mit was Billigerem«, riet ich. »Und laß bloß nicht nach. Jakob hat sieben Jahre um Rahel gedient, dann hat sie
ihn erhört.«
So lange dauerte es gottlob nicht. Konrad, in der sicheren Annahme, ich würde Schlumpel seinetwegen wohl kaum abschaffen,
kaufte im Supermarkt Katzengutsel in zwei Geschmacksrichtungen, einmal pikant (grün) und einmal superpikant (rosa), wahrhaft
schauerliche Stinkbomben, und versuchte wiederum sein Glück. Und Schlumpel, in der ebenso sicheren Annahme, ich würde Konrad
ihretwegen nicht in die Wüste schicken, und als die sowieso eindeutig Klügere, schwenkte ebenfalls um. Ich hatte auch den
leisen, aber begründeten Verdacht, sie finde, als humorbegabte Katze, langsam Gefallen an Konrad wegen seines beträchtlichen
Unterhaltungswertes. Und außerdem schwante ihr wohl, er sei eine Art männliche |143| Kuh, die dauerhaft und leicht zu melken sei. An diesem Abend nahm sie von ihm gnädig drei Katzengutsel und ließ sich von ihm
sagen, sie sei die allerschönste, und so was von einer Katz kriege man selten zu sehen, eigentlich nie, und er bedaure zutiefst,
nur ein Menschenkater zu sein und kein richtiger. Eine Stunde später, als ich ins Zimmer kam, ganz leise, weil ich Konrad
nicht stören wollte, der hörte gerade die siebenunddreißigste Interpretation der Goldbergvariationen, ließ ich fast das Tablett
mit dem Geschirr fürs Abendbrot und den Rollmöpsen fallen.
Konrad lag im musikalischen Sessel, die langen Beine lang ausgestreckt auf einem Stuhl, die Decke über den Beinen, und auf
seinem Schoß, zusammengekringelt, Schlumpel, die ihm den dick verbundenen Finger schleckte. Aus plötzlich erwachter Zuneigung,
wie Konrad behauptete, vielleicht roch der Finger aber auch noch ein bißchen nach Blut.
»Sie mag Bach«, teilte Konrad mir erfreut mit. »Die Moderne mag sie aber weniger, Rihm überhaupt nicht. Ich hab’s ausprobiert.
Rihm bringt sie zum Jaulen.«
»Mich auch«, sagte
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