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Das Glück ist eine Katze

Titel: Das Glück ist eine Katze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Berberich
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    Schlumpel verlangte, dieses Krippenkind zu sehen. Und zwar sofort.
    »Geht nicht. Weil es erst morgen kommt.«
    »Woher?« fragte Schlumpel.
    »Vom Speicher. Ich mein, vom Himmel hoch – nein, der vom Himmel hoch ist ja   –«
    |148| »Konrad?«
    »Der kommt mit dem Auto. Vom Himmel hoch kommt der Engel.«
    »Was für ein Engel?«
    »Ein himmlischer. Sonst könnt er doch nicht vom Himmel hoch daherkommen.«
    »Der manchmal mit dem Pfarrer ›Malefiz‹ spielt und den Würfel frißt und bescheißt?«
    »Der nicht. Engel gibt’s jede Menge. Ich mein den, der den Hirten sagt, daß das Kind in der Krippe liegt. Dann laufen die
     Hirten los.« Die Suppe köchelte vor sich hin.
    »Nach Oberweschnegg?«
    »Nach Bethlehem im Heiligen Land.«
    »Das ist auch heilig?«
    »Heute nicht mehr besonders. Aber damals war es das. Als das Kind in der Krippe lag, was der Engel den Hirten verkündigte.«
    »Was hat er denn so gesagt?« fragte Schlumpel.
    »Friede auf Erden!«
    »Und? Stimmt’s?«
    »Nein.«
    »Dann war das ein Lügen-Engel.«
    »War er nicht.«
    »Vielleicht war er zu leis? Oder es haben’s nicht alle gehört? Oder weggehört?«
    »So wird’s wohl sein«, sagte ich. »Riecht fein, die Suppe, was?«
    |149| »Aber wo liegt das Kind denn nun herum? Auf unserem Speicher oder in diesem Bettel –?«
    »Das Kind«, erklärte ich, »liegt öfters herum. Einmal bei uns in Oberweschnegg, und bei vielen anderen Leuten auch noch.«
    Schlumpel sah mich an, als halte sie mich für nicht ganz gebacken, was ich sogar verstehen konnte, weshalb ich, in der Absicht,
     sie weiter aufzuklären, noch tiefer in die Bredouille geriet und in einen Kreisverkehr, aus dem ich nicht mehr hinausfand.
    »Unser heiliges Kind«, sagte ich, »ist nicht echt. Es ist aus Holz und ein Familienerbstück. Maria und Josef – das sind seine
     Eltern – auch. Das echte Kind gab’s nur einmal, und dieses einmalige Kind lag damals in der Krippe. In Bethlehem.«
    »Woher weißt du das? Auch vom Engel?« fragte Schlumpel.
    »Ich unterhalte mich grundsätzlich nicht mit Engeln. Weil ich, wie ich dir schon einige Male erklärt hab, nicht an sie glaube.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es keine gibt.«
    »Aber der auf dem Speicher? Gibt es den auch nicht?«
    »Doch, den gibt es.«
    »Ist der heilig oder nicht heilig?«
    »Der ist aus Holz. Daß es den gibt, muß ich |150| nicht glauben, das weiß ich, weil ich ihn selbst in Seidenpapier eingewickelt und in der Kiste verstaut hab, wo
Weihnachten
draufsteht.« Ich pürierte die Suppe mit dem Mixstab, bis sie schön sämig war, dann schaltete ich den Herd aus. Suppe fertig.
     Muß dann nur noch aufgewärmt werden.
    »Und den damaligen richtigen Engel, der nicht aus Holz ist, und heilig?«
    »Den richtigen, nicht hölzernen Engel gibt es nicht. Ich mein, für mich nicht. Unfromme Leute glauben nicht an Engel. Und
     jetzt muß ich den Rollschinken in Blätterteig einwickeln. Den gibt’s morgen abend zum Essen.«
    »Ist der dann ein Heiliger Rollschinken?«
    »Es gibt keine Heiligen Rollschinken.«
    »Glaubt Konrad an Engel?«
    »Konrad ist noch unfrommer als ich. Wir sind«, sagte ich seufzend, »alle beide aufgeklärte Menschen.«
    »Warum seuf – warum tust du seufzen? Weil Konrad auch unfromm ist? Und aufgeklärt?«
    »Weil der Blätterteig am Backbrett klebt. Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, dazu noch im dritten Jahrtausend.«
    »Und das mag keine Engel?«
    »Nur in Form von unzähligen, sich ständig vermehrenden Büchern über Engel, wobei man heute |151| besser von Engelinnen und Engeln spricht, sonst kriegt man es mit den Feministinnen zu tun.«
    »Aber warum gibt es Engelsbücher, die sich vermehren, wenn kein Schwein an Engel glaubt?«
    »Ich vermute«, sagte ich, »daß die Menschen schon gern an Engel glauben würden, aber sie trauen sich nicht mehr.«
    »Warum nicht?«
    »Weil wir so aufgeklärt sind, zum Donnerwetter. Wir glauben nicht mehr dran, aber das, woran wir nicht mehr glauben, finden
     wir immer noch sehr schön. Drum haben wir Heimweh danach. Und es tut uns sehr leid, daß wir’s nicht mehr glauben können. Oder
     dürfen. Oder sollen. Oder wollen.«
    »Dir auch?«
    »Ich muß den Schinken – den unheiligen – bevor ich ihn in den Blätterteig einwickle, erst noch mit Senf bestreichen. Du kriegst
     auch ein Stückchen. Wenn du die Schnauze hältst.«
    Nachdem Schlumpel ihrer Meinung nach lange genug die Schnauze gehalten hatte, schleckte sie sich dieselbe.

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