Das Glück reicht immer für zwei
Rätselfragen geben lassen. Er saß auf seiner Strandliege und starrte auf das Blatt mit den Fragen, die er noch nicht gelöst hatte. Seufzend ließ er es sinken und blickte aufs Meer. Natürlich würde er keine Anstrengungen unternehmen, den Diamantring zu gewinnen. Bei ihm zu Hause ruhte in einem marineblauen Schächtelchen ein Brilli, der ihn wesentlich mehr als fünftausend Dollar gekostet hatte. Vanessas Mutter hatte ihm den Verlobungsring zurückgebracht. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihm übel.
Noch immer befiel ihn physisches Unwohlsein, wenn er an Vanessa dachte und daran, wie sich das Leben von einer Sekunde auf die andere von Grund auf ändern konnte. Und wie viel länger man brauchte, um sich mit dieser Veränderung abfinden zu können.
Eines Morgens war er noch glücklich aufgewacht, um sich abends dann vor Verzweiflung wie erstarrt ins Bett zu legen. Und bisweilen fragte er sich, ob er sich je wieder aus seiner Erstarrung würde lösen können.
Er hielt den Blick noch immer auf das aquamarinblaue Meer gerichtet, dessen Wellen träge an den Strand schwappten. Die Passagiere – einige sahen aus, als hätten sie die Rätselfragen glücklich gelöst, andere wiederum, als hätten sie sich damit abgefunden, nicht alle beantworten zu können – plantschten im Wasser, lachten und neckten sich im warmen Sonnenschein.
Wir müssten jetzt zusammen hier sein, dachte Leo. So hätte es eigentlich sein sollen. Ich dachte, wir wären füreinander bestimmt. Aber ich habe mir in die eigene Tasche gelogen.
Eine Frau machte einen Ausfallschritt, um einen Beachball zu erwischen, der in die falsche Richtung flog. Als sie ihn aufhob und dem im Wasser stehenden Spieler zuwarf, hob sich ihr geschmeidiger, zart gebräunter Körper perfekt gegen ihren weißen Badeanzug ab. Leo erkannte Brigitte Martin in ihr. Die Queen of Romance . Neulich im Konferenzraum hatte er mitbekommen, wie sich die anderen Zuhörer vor dem Beginn der Veranstaltung über sie unterhielten. Alle erzählten, sie hätten bei der Lektüre von Der perfekte Mann geweint. Wie Mia gesagt hatte. Leo musste noch nie beim Lesen eines Buches weinen.
Er hatte erwartet, bei dem Vortrag würde es vorwiegend darum gehen, dass Männer weder zu Romantik noch zu großen Gefühlen fähig seien und dass man über das männliche Geschlecht herziehen würde, als wären alle Männer hoffnungslose emotionale Krüppel. Und auch wenn er die Romanautorin beim gemeinsamen Abendessen eher als unterkühlt erlebt hatte, dachte er, sie würde bei ihrem Vortrag, bei dem es ja immerhin über die romantische Liebe ging, auftauen. Nun ja, sie war nicht halb so emotional gewesen, wie er sie sich vorgestellt hatte. Aber es war ja auch der Auftakt zu einer Workshop-Reihe, in der es vorwiegend
um praktische Tipps ging. Und natürlich hatte ihm ihr Vortrag kein bisschen geholfen, die Frauen besser zu verstehen.
Die Autorin selbst war allerdings äußerst attraktiv, das musste er zugeben. Sie sah anders aus heute, die Haare glatt und nach hinten gekämmt und ohne das viele Make-up, das sie bei ihrem Auftritt aufgelegt hatte. Seines Erachtens stand ihr diese natürliche Aufmachung wesentlich besser. Sie war weniger gekünstelt, aber dafür vermutlich viel bequemer. Bestimmt war es anstrengend, immerzu einen auf Romantik zu machen. Auch einer Frau musste das irgendwann auf den Wecker gehen.
Britt sah in seine Richtung, und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Es war ihm ein bisschen peinlich, dabei erwischt worden zu sein, wie er sie anstarrte. Sie zeigte die Andeutung eines Lächelns und kam auf ihn zu.
»Hallo«, sagte Britt, während sie in dem tiefen weißen Sand auf ihn zustapfte, um wenige Meter vor seinem Liegestuhl stehen zu bleiben. »Puh, das geht ganz schön auf die Wadenmuskeln.«
»Wollen Sie sich setzen und ein bisschen ausruhen?« Die Worte waren ihm einfach so herausgerutscht, und er wunderte sich über sich selbst.
»Danke.« Sie ließ sich auf die Kante des benachbarten Liegestuhls sinken.
»Und, haben Sie alle Rätsel lösen können?«, fragte er.
»Sie machen wohl Witze«, erwiderte sie lächelnd. »Nein, die Aufgaben sind ganz schön schwierig. Und Sie, haben Sie sich am Ende doch noch entschlossen mitzumachen?«
»Ja, aber nicht, um den Hauptgewinn zu ergattern, sondern um des Vergnügens willen.«
»Und wie kommen Sie zurecht?«
»Nummer drei bereitet mir Schwierigkeiten.«
»Ach, die mit der Justitia.« Sie zog eine Grimasse. »Die haben wir auch
Weitere Kostenlose Bücher