Das Glück reicht immer für zwei
Hafen, den sie besuchten, eines mitzubringen.
Sie traf ein bisschen zu früh in dem hübschen Hafencafé ein, das mit seinen karierten Tischtüchern und bunten Sonnensegeln ein heiteres Bild abgab, und bestellte einen frisch gepressten Orangensaft, während sie auf Britt wartete. Dann – in Irland war es jetzt Abend – tätigte sie ihren täglichen Anruf bei Allegra, die sich wie immer glücklich und zufrieden anhörte.
Mia wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Gewiss wünschte sie sich nicht, dass sich Allegra während ihrer Abwesenheit verlassen und ungeliebt fühlte. Aber als ihre Tochter, nachdem sie eine Minute lang unverständliches Zeug geplappert hatte, einfach den Hörer fallen ließ und einem ihrer Cousins etwas zurief, hatte sie gemischte Gefühle.
Mia wusste, dass sie froh sein sollte, wenn Allegra die Zeit mit den Jungs genoss, aber allmählich nagte die Sorge an ihr, dass ihre Tochter womöglich gar nicht mehr nach Spanien zurückkehren wollte. Schließlich musste ihr Sierra Bonita im Vergleich zu Dublin, wo sie nach Lust und Laune mit Luke und Barney herumtollen konnte und freien Zugang zu einem Nintendo Wii und überhaupt jede Menge Spaß hatte, ziemlich langweilig vorkommen. In Spanien hatten sie nicht einmal Satellitenfernsehen – kaum vorstellbar für die Jungs! Auch gab es in der Nachbarschaft keine Kinder, mit denen sie spielen konnte. Zwar lag ihr Häuschen nur einen Kilometer Luftlinie von dem Dorf entfernt, aber mit dem Wagen hieß es, eine fünf Kilometer lange, serpentinenreiche schmale Straße zu überwinden. An ihrem äußeren Rand fiel die Bergflanke so steil zu einem tiefen Tal hin ab, dass einem, wenn man hinunterschaute, das Herz stehen blieb. Als Mia die Straße zum ersten Mal befahren hatte, schwitzte sie Blut und Wasser.
Aber bislang hatte Allegra dieses Leben nichts ausgemacht. Sie
liebte es, morgens die örtliche guardería infantil zu besuchen, mittags zur Siesta nach Hause zu kommen und bis zum Abend mit Mia zu spielen. Doch würde sie sich bei ihrer Rückkehr vielleicht einsam fühlen? War die Lebensweise, die Mia für sich und ihre Tochter gewählt hatte, richtig für das Kind? War es fair ihm gegenüber?
Mia seufzte tief und sog an ihrem Strohhalm. Bislang hatte sie immer gedacht, sie sei eine gute Mutter und ihr Mutterdasein der einzig wirkliche Erfolg in ihrem Leben, aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
»Hallo.« Britt, die ziemlich erschöpft und mitgenommen wirkte und deren Trägertop verschwitzt war, wuchtete mehrere Einkaufstüten auf den Tisch. »Bin ich zu spät?«
Mia schüttelte den Kopf. »Ich war zu früh dran. Hab so gut wie alle Läden abgeklappert.«
»Was hast du gekauft?«
»Nichts Aufregendes. Nur ein paar hübsche Sachen für Allegra.« Mia zeigte ihrer Schwester ihre Einkäufe, und Britt bestellte sich ebenfalls einen frisch gepressten Orangensaft und einen weiteren für Mia, während sie sich mit einem Bierdeckel Luft zufächerte.
»Die Sachen sind wirklich hübsch«, sagte Britt und schob die Sonnenbrille auf den Kopf. »Vor allem die Shorts sind niedlich. Kaum zu glauben, dass wir auch einmal so klein waren.«
»Vielleicht ist sie gar nicht mehr so klein, wenn wir zurückkommen«, sagte Mia. »Man kann ihr schier beim Wachsen zusehen. Aber ich habe extra eine Nummer größer gewählt.«
»Ich nehme an, dass man im Laufe einer Kindheit jede Menge Sachen braucht.« Britt klang, als würde ihr erst jetzt bewusst, dass Kinder wuchsen.
»O ja. Aber das Schöne an dem Ort, wo wir leben, ist, dass unter den Kindern noch nicht dieser Designerwahn um sich gegriffen hat«, erwiderte Mia. »Ganz anders allerdings unter den Teenagern, die sind alle nach der neuesten Mode gestylt.«
»Meredith nörgelt immer an mir herum, ich soll mir endlich eine neue Garderobe zulegen«, sagte Britt. »Wann immer wir zu einem dieser unsäglichen Abendessen eingeladen sind, schaut sie mich kritisch an und meint, ich soll mir endlich mal was Tolles von Stella zulegen.«
Mia lachte. »Nicht gerade das, wofür ich Geld ausgeben würde, aber wenn du es dir leisten kannst, warum nicht?«
»Ich bin das nicht. Im Grunde meines Herzens bin ich überhaupt nicht glamourös. Es ist wie mit dem Lipgloss und der Lockenfrisur und der ganzen Brigitte-Maskerade: Das steht völlig im Widerspruch zu dem, was ich bin.«
»Zu einem anderen Teil deiner selbst, aber es ist dennoch ein Teil von dir. Was ist so schlimm daran, sich schöne Sachen zu kaufen,
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