Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
Bei allem musste ich heulen, und mir wurde übel: von Äpfeln und Brot, von Fleisch in jeder Form ganz zu schweigen. Ich fuhr fünfundzwanzig Minuten in die Stadt, um mir eine Pizza zu holen, und blieb mitten auf dem Heimweg stehen, um sie in den Kofferraum zu legen, weil der Geruch zu überwältigend war.
Die ganze Zeit tat Marlboro Man sein Bestes und bemitleidete mich, seine frisch angetraute, hormonverseuchte, depressive Ehefrau, doch er konnte es natürlich nicht nachvollziehen. »Spring doch einfach mal unter die Dusche«, sagte er und strich mir über den Rücken. »Dann geht’s dir bestimmt besser.«
Er hatte ja keine Ahnung. »Man kann nicht springen, wenn einem so schlecht ist«, heulte ich. »Dann kann man nicht springen!« Ich wollte nach Hause zu meiner Mama und in mein altes Bett. Ich wollte, dass sie mir Suppe brachte. Aber diese Heimat gab es nicht mehr.
Ich war an einem neuen Ort, in einer neuen Welt … und plötzlich erkannte ich mein Leben nicht mehr wieder. Ich wollte nicht schwanger sein. Wenn ich es durchgezogen hätte und nach Chicago gegangen wäre, dann bekäme ich jetzt kein Kind. Ich wäre weit weg von der Trennung meiner Eltern und noch weiter weg von Schwangerschaftshormonen. Wahrscheinlich würde ich einen schicken schwarzen Rolli tragen und mit meinen Freundinnen beim Italiener essen gehen.
Italienisches Essen …
Urgh, ist mir übel.
27.
Das Greenhorn
Die Übelkeit hielt sich wochenlang. In der Zwischenzeit tat ich mein Bestes, um mich mit meinem neuen Leben in dieser sonderbaren fremden Welt mitten im Nichts anzufreunden. Ich musste mich daran gewöhnen, dass der nächste Laden über dreißig Kilometer entfernt war. Dass ich nicht einfach den Nachbarn fragen konnte, wenn mir die Eier ausgegangen waren. Dass es nicht so was wie Sushi gab. Auch wenn das egal war, da eh kein Cowboy auf der Ranch so ein Gericht angefasst hätte. Das sind Fischköder , würden sie sagen und jeden Stadtmenschen auslachen, der sie überzeugen wollte, dass es lecker schmeckte.
Dann die Müllabfuhr: Es gab keine. In diesem sonderbaren fremden Land gab es keine Infrastruktur für den Umgang mit Müll. Auf dem Hof liefen Kühe herum, die überallhin schissen – auf die Veranda, auf den Rasen, selbst auf meinen Wagen, falls sie zufällig gerade neben ihm standen, wenn es sie überkam. Es gab niemanden, der das saubermachte. Ich wollte Profis damit beauftragen, aber es gab keine. Meine Lage wurde mir mit jedem Tag ein bisschen klarer.
Nachdem ich eines Morgens eine Schale Cornflakes heruntergewürgt hatte, schaute ich aus dem Fenster und entdeckte einen Puma auf der Motorhaube meines Wagens, der sich die Pfoten leckte – nachdem er die Nachbarsfrau in Stücke gerissen und zum Frühstück verschlungen hatte, malte ich mir aus. Ich hastete zum Telefon und rief Marlboro Man an, sagte ihm, auf meinem Auto sitze ein Puma. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass diese Tiere hier überhaupt lebten.
»Das ist wahrscheinlich nur ein Rotluchs«, versicherte mir mein Mann.
Ich glaubte ihm nicht.
»Nie im Leben – der ist riesengroß!«, rief ich. »Das ist mit Sicherheit ein Puma oder so was Ähnliches.«
»Ich muss auflegen«, sagte mein Gatte. Im Hintergrund muhten Kühe.
Ich konnte die mangelnde Besorgnis von Marlboro Man nicht fassen und schlug mit der Handfläche gegen die Scheibe, um die Wildkatze zu vertreiben. Doch sie schaute nur auf und starrte mich durch das Fenster an. Sah mich wahrscheinlich schon mit Forellenmousse auf einem Teller.
Meine Verlobungszeit mit Marlboro Man, voller Verliebtheit und Romantik, hatte mich auf all das nicht vorbereitet: weder auf die Mäuse, die ich neben meinem Bett in der Wand kratzen hörte, noch auf platte Reifen, weil ich mit dem Auto über die holprigen Schotterpisten fuhr. Vor der Hochzeit hatte ich nicht gewusst, wie man einen Wagenheber oder ein Stemmeisen bediente … und jetzt wollte ich es auch nicht wissen. Ich wollte nicht wissen, dass der Gestank in der Wäschekammer von einem toten Nagetier stammte. In meinem ganzen Leben hatte ich noch keinen toten Nager gerochen, warum musste ich es jetzt, wo ich doch eigentlich eine euphorische, frisch verheiratete Frau sein sollte?
Tagsüber war ich gereizt. Nachts war ich eine Katastrophe. Seit wir aus den Flitterwochen zurück waren, hatte ich nicht einmal durchgeschlafen. Abgesehen von der Übelkeit, die beim Schlafengehen regelmäßig zum zweiten Mal zuschlug, hatte ich
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