Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
Marlboro Man folgte mir sofort. Als er den Tod seines Bruders Todd vor vielen Jahren miterlebte, hatte er genug für sein ganzes Leben getrauert.
Als wir in der Küche standen, hörten wir Schluchzen aus dem Schlafzimmer. Marie hatte ihren letzten Atemzug getan. Ich hörte, wie Jennifer laut um ihre Mutter weinte. Maries Eltern sagten immer wieder: »Nein, nein.« Ich hörte Maries engste Freundinnen klagen, die ebenfalls an ihrem Bett standen. Ich hatte das Gefühl zusammenzubrechen, entschuldigte mich und suchte das Gästebad auf der anderen Seite des Hauses auf. Dort fiel ich in mich zusammen.
Ich schloss mich in dem blau gefliesten Duschbad ein, sank zu Boden und lehnte den Rücken gegen die Wand. Ich kam mir vor wie ein Eindringling. Ich hatte kein Recht, hier zu sein. Oder vielleicht doch? Ich war die Frau von Marlboro Man. Dies war seine Familie, also auch meine. Aber mein Vater war allein, wahrscheinlich drehte er in dem plötzlich so leeren Haus fast durch. Ich musste nach ihm sehen, ihm beistehen. Doch ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, unser Haus wieder zu betreten, ohne dass meine Mutter da war. Mir wurde schlecht, und meine Augen füllten sich mit Tränen – Tränen um Marie, um meinen Vater, um meine Schwester, meine Brüder und meine Großeltern. Tränen um Marlboro Man und seinen Stress bei der Arbeit in letzter Zeit, um Maries Tochter, die gerade mit dem College fertig war und ihr Leben als erwachsene Frau nun ohne Mutter beginnen müsste. Ich dachte an jedes glückliche Weihnachtsfest in meiner Kindheit und machte mir klar, dass es nie wieder so sein würde. Und ich dachte an Mike, für den Routine und Stabilität so wichtig waren. Wie würde er mit den Veränderungen klarkommen? Ich dachte an Marie und wie freundlich sie zu mir in der kurzen Zeit gewesen war, in der ich sie kannte. Meine Tränen wurden zu einem Sturzbach, aus meinem Schniefen wurde heftiges Schluchzen.
Hör auf! , befahl ich mir. Du kannst hier nicht so durchdrehen. Du kannst hier nicht mit rotgeschwollenen Augen herumlaufen, im Haus von Marlboro Mans Familie.
Schließlich war es ihre Trauer, nicht meine; ich wollte nicht, dass sie dachten, ich würde Gefühle vortäuschen. Doch wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Ich nahm mir einen Waschlappen und betupfte damit mein Gesicht, während ich das Klagen von Maries Angehörigen aus dem Schlafzimmer hörte. Es war vorbei; Marie war gegangen. Die Ehe meiner Eltern war vorbei; sie trennten sich. Da ich wusste, dass die übrigen Zimmer im Haus anderweitig belegt waren, blieb ich in dem blauen Gästebad, barg das Gesicht in den Händen und weinte hemmungslos. Ich muss so lange hierbleiben , redete ich mir ein, bis ich mich wieder im Griff habe .
Ich muss hierbleiben, bis ich sechzig bin.
Ich ging nicht zu Maries Beerdigung. Als es Tage nach ihrem Tod so weit war, hatte sich mein morgendlicher Brechreiz in eine den ganzen Tag andauernde Übelkeit verwandelt, die mich schwächte und jede Bewegung meines Körpers begleitete, solange ich wach war. Was ich ein paar Wochen zuvor gehabt hatte, war im Vergleich zu der Kodderigkeit, unter der ich nun litt, nur ein lächerliches Magendrücken gewesen.
Mir war elend. Ich wollte eine junge, dynamische Ehefrau sein, voller Tatkraft und Energie. Stattdessen war ich olivgrün im Gesicht, an mein Bett gefesselt und konnte den Kopf nur für eine Handvoll Cornflakes vom Kissen heben. Jedes Mal, wenn Marlboro Man hereinkam, um nach mir zu sehen, trat er auf einen Kellogg’s-Apple-Jack. Ich hörte, wie er ihn auf dem Teppich zermalmte, beobachtete, wie er auf die Krümel unter seiner Sohle schaute … und konnte nichts anderes tun als zusehen. Wenn ich es mal schaffte, mich aufrecht hinzustellen, hielt ich mir eine halbe Zitrone unter die Nase, damit mir nicht sofort wieder schlecht wurde. Überall im Haus lagen aufgeschnittene Zitronen herum; ich hatte Angst, länger als zehn Sekunden keine im Blick zu haben.
Ich bot einen bezaubernden Anblick – in jeder Hinsicht reizend – und war keinerlei Hilfe auf der Ranch. Marlboro Man arbeitete hart: In den Monaten vor der Hochzeit hatte er viele Rinder bestellt, jetzt traf eine Ladung nach der anderen ein. Ich wollte ihm dabei helfen. Doch der Gestank von Dung war einfach zu viel für mich. Schon der bloße Geruch von Landluft brachte mich zum Würgen, selbst wenn ich mir eine Zitronenhälfte unter die Nase hielt. Ich war außerstande, etwas zu kochen.
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