Das Glück trägt Cowboystiefel: Eine wahre Liebesgeschichte (German Edition)
vereinten Kräften meine Mutter zu ersetzen, doch es war gekünstelt und sinnlos. Ich wünschte mir, ich könnte bis nach Weihnachten vorspulen; so wie an Thanksgiving wollte ich mich so schnell nicht wieder fühlen.
Mein Bruder Doug hatte sich völlig von unserer Mutter entfremdet. Er und meine Schwägerin erwarteten jeden Tag ihr erstes Kind, und Doug war verständlicherweise verbittert, dass wir alle mit dieser neuen Entwicklung konfrontiert waren, anstatt uns über die Gesellschaft der anderen zu freuen, über Kindernamen zu diskutieren und in ein putenfleischverursachtes Eiweißkoma zu fallen. Er hatte keine Lust, einen auf glückliche Familie zu machen und Thanksgiving nacheinander bei meiner Mutter und bei meinem Vater zu feiern … ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Dieses Ende war vermeidbar gewesen – was war mit all den Familien, die ihre Mutter bei einem Autounfall oder durch Krebs verloren hatten? Wir dagegen verloren unsere durch … eheliche Diskrepanzen? Unser Zorn war eine bittere Beilage.
Da unserer Mutter bewusst war, dass wir alle emotional auf dem Zahnfleisch gingen, feierte sie Thanksgiving bei Ga-Ga. Als Marlboro Man und ich am Abend nach Hause kamen, rief sie an.
»Frohes Thanksgiving, Ree-Ree«, sagte sie mit zurückhaltender, aber dennoch melodischer Stimme.
»Danke«, erwiderte ich, höflich und kühl. Ich wollte mich nicht darauf einlassen. Wo ich gerade wieder zu Kräften gekommen war.
»Hattet ihr einen schönen Tag?«, fragte sie.
»Ja«, sagte ich. »Wir haben hier auf der Ranch gegessen, dann sind wir rübergefahren zu … zu Dad.« Ich hatte das Gefühl, mit einer Fremden zu sprechen.
»Ach …« Ihre Stimme wurde leiser. »Ihr habt mir wirklich gefehlt.«
Ich wollte etwas sagen, bekam aber nichts heraus. Ich konnte nicht behaupten, alles über die Ehe meiner Eltern zu wissen, wer was wem wann angetan hatte. Aber meine Eltern waren glücklich gewesen. Wir waren eine Familie gewesen. Mein Vater hatte hart gearbeitet, meine Mutter hatte vier Kinder großgezogen, und gerade als sie ihr Leben hätten genießen und miteinander Spaß haben können, beschloss meine Mutter, dass sie damit durch war.
Tief in mir wusste ich, dass nichts im Leben nur schwarz oder weiß war. Ich wusste, wenn man über den gesamten Verlauf ihrer Ehe die beiden Seiten gegeneinander abwog, käme ein Unentschieden heraus. Aber an jenem ersten Thanksgiving, als ich so dünnhäutig war, war meine Mutter der Bösewicht, der die Bombe auf unsere Familie geworfen hatte. Wir anderen irrten durch die qualmenden Trümmer.
»Frohes Thanksgiving, Mom«, sagte ich noch, dann legte ich auf.
Ich war so sauer auf sie, dass ich nicht geradeaus gucken konnte.
Ich ging ins Bett und lutschte Pfefferminzbonbons.
Den Rest des Thanksgiving-Wochenendes musste Marlboro Man die Kälber, die im Frühjahr geboren worden waren, von den Mutterkühen trennen, und da es mir deutlich besserging, konnte ich die Karte »Du kommst aus dem Gefängnis frei« (beziehungsweise: Du darfst bis neun Uhr schlafen) nicht mehr länger ausspielen. Am Samstagmorgen weckte er mich, indem er mir den Zeigefinger in die Rippen bohrte.
Ein Stöhnen war alles, was ich herausbrachte. Ich zog mir die Decke über den Kopf.
»Zeit, dass du zu Potte kommst«, sagte er und schlug die Decke zurück.
Ich blinzelte. Es war noch dunkel im Zimmer. Die Welt war noch dunkel. Es war noch keine Zeit zum Aufstehen. »Zu Potte? Hä?«, stöhnte ich und lag ganz still. Vielleicht würde Marlboro Man mich vergessen. »Weiß nicht, wie das geht.«
»Das sagt man so«, erklärte er schmunzelnd und legte sich neben mich. Zu Potte kommen? Was? Wo war ich? Wer war ich? Ich war verwirrt. Hatte die Orientierung verloren.
»Komm«, sagte er. »Komm mit, die Kälber von den Müttern trennen.«
Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Mein fescher Mann war voll bekleidet, trug seine Wrangler und ein leicht gestärktes blaues Karohemd. Er streichelte meinen dicker werdenden Bauch. In den letzten Wochen hatte er sich das angewöhnt. Marlboro Man streichelte gerne meinen Bauch.
»Ich kann nicht«, jammerte ich. »Ich … ich bin schwanger.« Ich zog alle Register.
»Doch, kannst du«, sagte er, und die sanfte Massage wurde wieder zu einem Anstupsen.
Ich krümmte und wand mich und quietschte. Schließlich gab ich mich geschlagen, zog mich an und ging mit meinem schmucken Cowboy nach draußen.
Wir fuhren einige Kilometer zu einer Weide unweit des Hauses seiner Eltern und
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