Das Glück von Brins Fünf
einem Ast die Stellen, wo wir gewesen waren. Wir folgten schnell der Fährte, geduckt, den Schlitten ziehend, und leichter Schnee fiel hinter uns und bedeckte unsere Spuren, als wir das Glück sicher nach Hause brachten.
2
Wir hatten in der gleichen Nacht Angst, verfolgt zu werden, aber es geschah nichts. Wir saßen im Dunkeln und erzählten das Wunder der Alten Gwin und Mamor und Narneen. Dann traf Brin eine kühne Entscheidung und zündete zwei Kerzen aus Gwins geheimem Vorrat an.
„Wir dürfen das Glück nicht verlieren, das sich jetzt eingefunden hat“, sagte Harfner Roy in Erwiderung zu der Alten Gwins Einspruch. „Bete zum Freundlichen oder zu wem du willst, aber wir müssen diese Wunden heilen.“
„Ein Gleiter?“ brummte Mamor. „Verbrenne uns, aber es muß irgendein reicher Grande sein, der niemals beim Bergvolk bleiben wird!“
„Ein Luftschiff“, beharrte ich, „kein Gleiter!“
„Bist du sicher, daß es kein Haarflügel ist, kein Kobold, der durch die Leere aus Derrin gekommen ist?“ spottete Mamor wieder.
Narneen wimmerte.
„Schluß“, sagte Brin. „Es ist eine Person … ein Moruianer. Vielleicht ist er ein Insler.“
Die Alte Gwin, die an dem glänzenden Körpersack herumgefummelt hatte, fand eine Möglichkeit, die Schnüre zu lösen und begann, ihn auszupellen.
„Sieh doch, Mamor“, sagte ich. Im engen Raum streiften wir den Körpersack ab und falteten ihn schnell weg.
„Gar nicht übel …“ sagte die Alte Gwin. „Holt sauberen Schnee in einem Korb. Da ist ein Schnitt … oh, der Arme … das Glück ist verbrannt worden. Des liebsten Glücks arme Hand ist verbrannt worden.“
„Wenn es vollkommen wäre“, sagte Harfner Roy, „hätten wir vielleicht kein Glück gehabt.“
Während die Alte Gwin die versengte Hand und den Schnitt am Kopf wusch und verpflegte, untersuchten wir unser neues Glück. Wir sahen eine große, starkgebaute Gestalt, wie unsere eigene und doch nicht ganz so. Die Proportionen waren anders: stärkere Muskeln, vor allem an den Schultern, wie bei einem Gepäckträger. Kürzere Arme, runderer Kopf, das Gesicht eher flacher, die Augen frontaler und so weiter. Dies alles mußte jetzt detailliert und studiert werden, aber wir waren die ersten, glaube ich, solche Beobachtungen angestellt zu haben.
Sein Haar kam uns unglaubwürdig vor: schwarz wie die Nacht, weich und gelockt wie ein Vlies; wir berührten es alle, während das Glück, schwer atmend, dalag. Wir verglichen es mit unserem eigenen Haar, ganz glatt natürlich und fein, von der Alten Gwins grauen Strähnen zu dem gleichmäßigen Braun der Erwachsenen bis zum gestreiften Blond von mir selbst und Narneen. Dann die Haut, blasser als unsere sogar im Winter, blasser und ungezeichnet von der Sonne, so wie die Granden in Ritoul vielleicht aussahen, wenn sie vorsichtig waren und Sonnenschirme benutzten.
„Ein Insler?“ fragte Brin.
Das Glück trug einen schönen Anzug aus teurem weichen Stoff, dem Körpersack gleich; einen dunkelblauen Anzug bis zu den Füßen in weißen Socken, nachdem die schweren Stiefel ausgezogen worden waren. Über dem Anzug befand sich eine ärmellose Weste mit Taschen und Beuteln, genauso verschlossen, wie es die Geduld der Alten Gwin herausgefordert hatte. Wir zogen die Weste aus und legten sie beiseite, dann öffnete Mamor den Verschluß des schönen blauen Anzugs und zog ihn über die Schultern, wobei er behutsam auf die verbrannte Hand am linken Ärmel achtete. Noch mehr Kleidungsstücke – ein Hemd und eine schlauchförmige Unterhose aus feiner weißer gewebter Wolle.
„Ein hübscher Anblick“, sagte die Alte Gwin. „Wir dürfen den Insler nicht erfrieren lassen.“
„Es ist nicht kalt“, sagte Harfner Roy. „Das ist des Glücks erster Auftritt!“
Wir lachten, und Brin zog ihm das Hemd aus; die Alte Gwin holte tief Atem.
Anfangs sah ich nur die tantalisierenden Zeichen des Unterschieds – alles insgesamt ungleich und gleich. Das Entkleiden ließ das Glück schlanker erscheinen, denn der Anzug verlieh Form und Polster. Der Brustkorb war derselbe, die Muskeln kräftig wie bei einem Athleten oder Gepäckträger. Die Haut wirkte in ihrer Blässe völlig fremd, und das Muster der Körperhaare, dicht auf der Brust und zum Bauch verlaufend, war nicht das eines Moruianers.
„Ich glaube, daß das Glück dieses Haar auch auf seinem Gesicht wachsen lassen könnte“, sagte Mamor.
„Soviel?“ sagte Harfner Roy neidisch, während er das weiche Kinn des
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