Das Glück wartet in Virgin River
ihrer Hütten gemietet hatten. Sie bekamen mehrere unterschiedliche Versionen der Geschichte um den Besitz und den Treuhandfonds der verstorbenen älteren Frau zu hören. Jede Version entsprach dem persönlichen Interesse des Erzählers. Jackie sprach längere Zeit mit Jack Sheridan und ließ sich von ihm die Abenteuer berichten, die ihm die lebenslängliche Treuhandverwaltung bereits beschert hatte. Penny lernte Muriel St. Claire kennen, die sich als aktives Mitglied der Gemeinde betrachtete.
Währenddessen war Kelly in ein Gespräch mit dem Koch aus Jacks Bar vertieft. Es war typisch für diese Souschefin, sich von Speisen anziehen zu lassen, selbst wenn es, wie in diesem Fall, nur Bratwürste waren.
„In diesem Ort kochen wir für Jäger und Angler“, erklärte ihr der Mann, den alle Preacher nannten. „Seit sich herumgesprochen hat, dass wir Qualitäts-Spirituosen nur für sie vorrätig halten und das Essen herzhaft ist und köstlich schmeckt, legen sie Wert darauf, wenigstens einmal bei uns zu essen, wenn sie zum Jagen oder Angeln hier in der Gegend sind. Wir haben Hunderte von Stammgästen, die wir jedes Jahr wiedersehen.“
„Und was steht bei Ihnen auf der Speisekarte?“, fragte Kelly.
„Ich habe keine Speisekarte“, antwortete er. „Ich plane immer ungefähr eine Woche im Voraus und achte darauf, dass ich jeden Tag zum Frühstück, Lunch und Abendessen etwas Besonderes anbieten kann. Immer bleibt etwas übrig, das ich dann gern aufstocke.“
„Was meinen Sie mit aufstocken?“
„Es gibt Jäger und Angler – auch Frauen –, die keinen Wert auf leichtes Essen legen. Sie sind müde, frieren und haben Hunger. Da brauchen sie etwas, das sich ihnen auf die Rippen legt. Ich backe sehr viel frisches Brot, Torten, Kuchen … Oh, und Frühstücksgebäck. Mit dem Gebäck mache ich mir wirklich sehr viel Arbeit.“
„Und was ist mit dem Ort?“
„Wir haben viele Gäste aus dem Ort. Jacks Bar ist für viele so etwas wie ein Treffpunkt geworden, und wir versuchen die Kosten niedrig zu halten, damit sie es sich leisten können. Fast jeden Tag haben wir eine verlässliche Anzahl von Ortsanwohnern und Besuchern bei uns. Es sei denn, es regnet wirklich heftig. Dann kommt nur selten mal jemand vor die Tür. Jack sagt, dass sie bei Regen damit beschäftigt sind, Eimer unter die Löcher in ihren Dächern zu stellen.“ Er grinste sie an. „Wir sind hier nicht besonders schick und ziemlich rückständig. Aber meine Küche nehme ich sehr ernst.“
Kelly schwieg einen Moment, dann sagte sie schon fast sehnsüchtig: „Ich würde wahnsinnig gern in einem solchen Lokal arbeiten. Seit Jahren trage ich jetzt schon die Rezepte meiner Urgroßmutter mit mir herum. Mit ein paar davon habe ich mal ein bisschen rumgespielt, aber sie sind kaum zu verbessern. Das eine oder andere habe ich mal im Restaurant ausprobiert, wo ich momentan stellvertretende Küchenchefin bin, aber das ist eine riskante Sache, denn ich will sie nicht hergeben, und der Chefkoch will nichts auf die Karte setzen, auf dem nicht sein Name steht.“
Und damit war die Verbindung zwischen ihnen besiegelt. „Für die Rezepte einer Urgroßmutter würde ich alles geben“, erklärte Preacher. „Aber genauso für die einer Großmutter. DasKochen habe ich mir selbst beigebracht. Ich bin nicht als Koch hierhergekommen. Ich war Marine und wollte nur mal mit Jack ein bisschen hier angeln. Am Schluss bin ich geblieben.“
„Vor ein paar Jahren habe ich in den Boundary Waters Urlaub gemacht. Oben im Norden von Minnesota. Das ist eine ziemlich wilde Gegend und wunderschön. Dort hatten sie einen Koch vor Ort, der hat mich einfach umgeworfen!“
Preacher grinste. „Ich wette, mit uns können sie dort nicht mithalten.“
„Mag sein“, räumte sie ein. „Wir waren in einem kleinen Waldhotel am Wasser. Auch dieser Koch hatte keine Speisekarte, aber mit jedem Gericht hat er mich überrascht. Er hat serviert, wozu er gerade Lust hatte, und davon immer reichlich. Nun, ich war auch mal in Paris, aber der Urlaub in den Boundary Waters war der Trip, bei dem ich in meinem ganzen Leben am meisten gegessen und zugenommen habe. Und damals habe ich mir immer vorgestellt, wie es sein müsste, dort Koch zu sein … Ich wäre wahnsinnig gern die einzige Köchin in einer Küche, in der nicht gebrüllt wird …“
Preacher straffte die Schulter und richtete sich zu seiner vollen Größe von einem Meter dreiundneunzig auf. „Gebrüllt wird?“, wiederholte er.
Kelly
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