Das glückliche Ende der Welt.
gerissen. Dieser Bote Gottes findet eben überallhin, und niemand kann sich vor ihm verstecken. Er kommt bis an das Ende der Welt. Oft will es uns scheinen, als wäre dieser Bote Gottes nur ein Zerstörer, der Leben und Glück vernichtet und seine Sense ohne erkennbaren Sinn schwingt. Aber zu winzig sind wir, zu armselig ist unser Denken, zu unbedeutend ist unsere Not, um begreifen zu können, in welche Unendlichkeit wir gestellt sind und doch als Kinder Gottes nicht verlorengehen können. Die Verstorbene hat diese Unendlichkeit geahnt und nicht gegen Gottes Ratschluß aufbegehrt, ihr hat es der Wald in seinem Werden und Vergehen gesagt, und dieses einfache Kind hat es begriffen. Sie wußte, daß sie vor den Ewigen gerufen wurde, und sie jammerte nicht. ,Ich danke dem Herrgott für alle schönen Tage meines Lebens und für all das Glück, das ich hab erleben dürfen, und ich bitte ihn, daß er mir verzeihen möge, was ich je an Unrecht getan habe’, das waren die Worte, die diese gute Seele auf ihrem Sterbebett ihrem Pfarrer zu sagen hatte. Sie war eine brave und herzensgute Frau, und daß der Herr sie gnädig aufnehmen möge, dafür laßt uns beten. Der Herr gebe ihr die ewige Ruhe.«
Dann flackerten in der dunklen Kirche die vielen Wachsstocklichtlein bei der Seelenmesse für die Burgl, und ehe der Totengräber das Grab zuschaufelte, fand noch ein Sonnenstrahl in das offene Grab.
Es waren düstere Tage gewesen auf der Gschwend, und sie sehnten das Frühjahr herbei. Die Lina hatte nun für zwei Mannsbilder zu sorgen, die nach der schweren Arbeit des Holzzuges an ihrem Tisch saßen. In diesen Wochen war es der kleine Ambrosi, dessen Lachen und Lallen die Stube heller machte, und dessen erste Schritte wieder einmal einen frohen Tag brachten. Die beste Kindsmagd war der Kaspar, und die Lina wußte, warum sie ihm, wenn er nachsinnen wollte, den Buben auf den Schoß setzte. Schlief das Kind, dann strickten sie nach dem Abendessen bis tief in die Nacht hinein, und dann sorgte wieder die Hausfrau dafür, daß das Gespräch sich nicht mit der Burgl befaßte, sondern sich um die Alltäglichkeiten drehte. Für den Kaspar hatte sie oft soviel kleine Arbeiten im Haus, nahm dabei alles recht wichtig, so daß er gar nicht dazu kam, sich dem Grübeln hinzugeben. Im Stricken wetteiferten sie, doch bald war der Kaspar dem langsamen Ambros und auch der geschickten Lina voraus. Er studierte ein Heftchen mit Strickanleitungen und ließ nicht locker, bis er der Lina eine schöne grüne Weste mit einem besonderen Muster gefertigt hatte.
Der Nachwinter hatte mit Regen und Schnee und dunklen Tagen noch einmal den Kaspar in eine trübe Stimmung und ein trauriges Sinnieren versetzt, aber auch nun wußte die Lina wieder einen Ausweg. An einem Abend sagte sie:
»Könntest eigentlich selber der Burgl ein Kreuz für das Grab schnitzeln, wo du dir so helfen kannst mit dem Bitzeln.«
Von da an arbeitete der Kaspar wie ein Besessener, holte sich von der Sägemühle das Holz und schnitzte aus einem Stück Lindenholz eine Rose mit Blättern, die er auf die Mitte des Kreuzes legte. Darunter fertigte er eine Blechtafel und malte selbst Namen und Todestag seines Weibes darauf.
Dann waren auch auf der Gschwend wieder der letzte Schnee versickert und in Stinglreut die Wiesen grün. Auf der Höhe lag noch das braune Bergried um die Häuser, und die Nächte waren noch kalt. Da wollten der Kaspar und der Ambros an einem Sonntag das Kreuz hinuntertragen und es auf das Grab der Burgl stellen. Um das noch vor der Sonntagsmesse tun zu können, machten sie sich schon früh auf den Weg. Die Sonne war gerade über den Grenzkamm heraufgekommen und leuchtete über das Braun und Grün des Waldes, lichterte auf dem gefallenen Laub und dem Nadelboden. Als sie aus dem Haus und über die Lichtung dem Steig nach der Guglwies zugingen, zuckte der Ambros zusammen. Drunten, unweit der Teufelsschlucht, war ein Schuß gefallen, und das Echo grollte im Wald am Hochruck nach.
Der Kaspar, der das neue Kreuz geschultert hatte, hielt ebenfalls an und horchte dem Hall nach.
»Das ist unterhalb der Waldweide gewesen«, vermutete er.
Der Ambros zog die Augenbrauen hoch und schnüffelte, als wollte er den Pulverdampf riechen. »Er ist wieder da — hab es ja gewußt!« nickte er, und sie gingen weiter.
Auf der Guglwies hielt der Forstwart Hauser sie an, betrachtete sich interessiert das geschnitzte und sauber bemalte Kreuz und fragte:
»Habt ihr es vorhin gehört? Bei euch
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