Das glückliche Ende der Welt.
wenig in Sicherheit wiegen und so tun, als wäre er wirklich so unwissend. Einmal mußte er sie dann ja doch bei ihrer Wilddieberei ertappen.
Der Kirschbaum blühte wieder auf der Gschwend, dem alten Ahornbaum aber hatten Wintersturm, Wasser und Frost den Rest gegeben. Sein Stamm klaffte auseinander, und das verkrüppelte Astwerk setzte kein Blatt mehr an. Aus dem dürren, braunen Berggras sproßten die grünen Hälmchen. Der frische Waldruch strömte über die Höhe, und schon am frühen Morgen des Maisonntags klöpfelte ein Specht. Das Tal von Stinglreut lag noch im Dunkeln, und die weithin sich gruppierenden Waldberge waren wie dunkelblaue Wellen, die von der Morgensonne eine helle Schaumkrone bekamen. Auf dem Hochruck leuchteten die jungen Buchen in strahlendem Grün aus dem violetten Blau der Baumschatten.
Und die kleinen Fenster in den Holzhauerhäuschen auf der Gschwend spiegelten den Sonntagsfrieden.
Beim Thums knarrte die Haustüre, und der Kaspar ging an den Brunnen, um sich zu waschen. Ein Rehrudel, das auf der Lichtung seine Äsung gesucht hatte, zog sich in den Wald zurück.
Ein herrlicher Tag, stellte der Kaspar fest, während er sich abtrocknete, und der graue Rauch, der aus dem Kamin des Nachbarhauses kerzengerade aufstieg, sagte ihm, daß man auch dort schon aus den Federn war.
Drunten, im Grund der Teufelsschlucht, bellte ein Schuß auf und gab ein vielfaches Echo.
Verdammte Schießerei! Aber vielleicht war es der Forstwart!
Eigentlich ging es ihn nichts an, doch in der letzten Zeit, vor allem seitdem der Forstwart das Gewehr des Ambros mitgenommen hatte, hatte es wie ein unheilbringendes, beklemmendes Ahnen über den Leuten auf der Gschwend gelegen. Nun war ihm, als hätten sie alle auf diesen Schuß und diesen Tag gewartet. Er mußte es dem Ambros sagen, denn in der Stube hatten sie den Schuß kaum gehört. Leise klopfte er an das kleine Stubenfenster, und als sich die Lina meldete, fragte er:
»Ist der Ambros schon auf?«
Sie öffnete das Fenster. »Der ist schon wieder vor der Sonne fort, wird aber net lange ausbleiben, denk ich, weil er in die Kirche gehen will.«
»Ist geschossen worden, muß drunten in der Schlucht gewesen sein«, sagte er zögernd, und sie wurde blaß.
»Meinst du denn, daß der Ambros damit was zu tun hat? Der wildert net, das solltest doch wissen —«
»Ich weiß net«, wurde er unruhig, »mir ist ganz saudumm im Kopf. Grad, als müßt ich ihm nachgehen. Ja, das tu ich — und ich geh über das Forsthaus und sag es dem Hauser, falls der den Schuß net gehört haben sollte — oder falls er selber —« Nun hatte er es eilig, zog sich in seiner Stube an und rannte davon. Als dieser Morgen sich erst durch einen schmalen, hellen Streifen über den Grenzbergen ankündigte, war auf dem Weg, der von Stinglreut herauf den Teufelsbach entlangführte, schon ein Mann unterwegs, der, knapp am Waldrand gehend, immer wieder stehenbleibend, dem kleinen Wiesenfleck zupirschte, der, unterhalb eines rauschenden Wasserfalles, zwischen Wald und Bach lag. Das Sausen des Wassers verschluckte jeden Laut, und das Zwielicht deckte den dunklen Schatten, der sich aus den Bäumen löste und dem Mann dicht auf den Fersen folgte. Hinter einem Buchenstamm, am Rande der kleinen Wiese, blieb der Mann stehen und lauerte auf den freien Platz am Bach hinaus, über den der Morgentau einen silbernen Schimmer legte. Kaum zwei Sprünge hinter dem Rücken des Mannes kauerte im Unterholz sein Verfolger.
Der Himmel wurde hell, und droben auf dem Gipfel des Hochruck leuchtete schon der erste Sonnenstrahl die Bäume an. Im Teufelsbach spiegelte sich schon der Morgenhimmel. u
Langsam erschien am Waldrand eine Rehgeiß, witterte und schritt, durch den weißen Tau streifend, zum Bach. Der Mann hinter der Buche riß das Gewehr hoch, der Schuß knallte und wetterte im vielfachen Echo in der Schlucht. Das Reh machte einen Satz und stürzte am Bachrand nieder.
In diesem Augenblick sprang auch der Schatten aus dem Unterholz auf, und ein Prügel sauste auf den Kopf des Wildschützen nieder, daß dieser taumelte und aufbrüllend das Gewehr fallen ließ. Noch einmal zuckte der Prügel herab und traf die Schulter des Mannes, der sich nach dem Gewehr bücken wollte. Schon hatte der andere zugegriffen und schleuderte den Stutzen in den Bach. Nun standen sie sich gegenüber, und der Wilddieb gellte in Wut und Schreck:
»Keppl, du Hund, dich bring ich um!«
Aus der hinteren Hosentasche riß er ein Messer, und
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