Das glückliche Ende der Welt.
voran, um eine Gehspur zu treten.
Der Wind schlug ihnen die großen Flocken ins Gesicht, und immer mühsamer wurde das Gehen, je höher sie hinaufkamen. Immer wieder mußte der Ambros anhalten, um den älteren geistlichen Herrn wieder zu Atem kommen zu lassen. Schneewolken hüllten den Wald in eine Dämmerung, als wollte der Tag in die Nacht übergehen.
Alle Spuren waren zugeweht, und auf der Guglwies reichte ihnen der Schnee schon bis an die Hüften.
»Ihr wohnt wirklich aus der Welt«, seufzte der Pfarrer. »Wie ihr das im Winter schafft, ist mir unerklärlich.«
»Es ist auch im Winter schön bei uns droben, Herr Pfarrer.«
»Und habt ihr nie daran gedacht, wieder abzuziehen?«
Der Ambros sah ihn verwundert an: »Nein, wenn man einmal da droben ist, will man net wieder weg. Hab das selber net so geglaubt, aber es ist so.«
Sie stapften weiter und fanden keine Zeit mehr zu einer Rede. Mit aller Kraft arbeitete sich der Holzhauer durch die weißen Massen, und dicht hinter ihm folgte der Pfarrer. Unendlich schien ihm der Gang zur Höhe.
Als sie dann endlich aus dem Wald auf die Lichtung der Gschwend traten, fiel der Sturm über sie her und wollte sie in den Schnee drücken. Der Ambros nahm den Pfarrer bei der Hand und zog ihn hinter sich her. Das Schneetreiben ließ keine Sicht mehr zu, und völlig erschöpft gelangten sie zum Haus des Kaspar, wo der Kaspar und die Lina den Niedergang zur Haustüre freischaufelten. In der Stube mußte sich der Geistliche erst auf die Bank setzen. Er war völlig außer Atem, und die Knie zitterten ihm. Die Lina gab ihm ein Glas Schnaps und half ihm aus dem Mantel. Der Kaspar trat leise in die Kammer:
»Burgl, der Herr Pfarrer ist da — und — möchte dich besuchen.«
»Ich bin froh«, hauchte die Kranke.
Kreuz und Kerzen stellte die Lina auf einen Stuhl neben dem Bett, und als der Pfarrer zur Burgl in die Kammer ging, knieten die Männer und die Lina in der Stube auf dem Boden und beteten leise. Hoch über ihnen sang der Sturm und ploderte im Ofen. Lang blieb der Pfarrer in der Kammer, und als er wieder herauskam, sagte er leise und bewegt:
»Hast ein tapferes Weib, Thums, ein braves Weib — aber — wie es halt der Herrgott will, ich — mußt dich auf alles gefaßt machen, Thums.«
»Rasten Sie sich noch ein wenig aus, Herr Pfarrer, derAmbros fährt sie dann mit dem Schlitten hinunter«, entschied die Lina. »Ich mache Ihnen einen guten Kaffee.« Der Pfarrer drückte dem Kaspar die Hand und folgte dem Ambros und der Lina ins Nachbarhaus. Der kurze, gebahnte Weg dorthin war inzwischen schon wieder zugeweht.
»Habt ein strammes Bübl«, neigte sich der Pfarrer über den schlafenden Ambrosi.
Und zum Ambros gewandt, fragte er: »Ist der Thums darauf vorbereitet? Ich meine — hat er einen Sarg im Haus?«
Sie kamen überein, daß der Ambros den Herrn Pfarrer auf dem Schlitten ins Tal fahren und heimwärts vom Dorfschreiner den Sarg mitnehmen sollte.
Der Weihnachtstag ging schon zu Ende, als der Keppl von der Gschwend den geistlichen Herrn auf dem Schlitten nach Stinglreut hinunterfuhr, den Schreiner weckte und gleich wieder mit der Totentruhe den weiten Weg auf den Berg machte.
Als der Kaspar wieder in die Kammer gekommen war, schlief die Burgl, und ein kleines Lächeln war um ihre blutleeren Lippen.
Tag und Nacht wich er nun nicht mehr von ihrem Bett, schlief auf dem Stuhl und schreckte mit schmerzendem Rücken auf, wenn sie sich bewegte. Er hielt ihre heiße Hand und horchte auf ihren fliehenden Atem, betete und träumte zwischen Wachsein und Schlaf, schürte in der Stube das Feuer nach und kehrte wieder in die Kammer zurück.
Wirre Gedanken geisterten in seinem Kopf herum und suchten einen Weg aus dem Jammer, der ihm das Herz zusammenschnürte.
Was war für ein Tag? Zweimal hatte ihn die Lina schon abgelöst, und er hatte auf der harten Stubenbank geschlafen wie ein Toter.
Es mußte schon gegen Neujahr gehen.
Neujahr!
Weit draußen, über die haushohen Schneewehen und den weiten, toten Wald hinaus war irgendwo die Welt. Dort würde man wohl mit Musik und Tanz, mit Trunk und Scherz das alte Jahr verabschieden und das neue begrüßen.
Die Lina war den ganzen Tag am Bett der Burgl gewesen, und die Kranke hatte ohne Fieber und hellwach gelegen, und ihre Augen waren so frisch und glücklich, als hätte sie nun das Schwerste überwunden.
»Ich kenn mich net aus«, hatte die Lina beim Gehen dem Kaspar zugeflüstert, »grad als hätte sie eine Krise hinter sich.
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