Das glückliche Ende der Welt.
nach, bis sie die Dunkelheit verschlungen hatte. Der Kaspar hatte den Ambros nicht zwischen die Schlittenhörner gelassen und ihn fast grob zurückgewiesen.
»Ich möcht meine Burgl selber hinunterfahren, ist der letzte Dienst, den ich ihr tun kann.«
Der Ambros schob an, und sie fuhren bis zum Wald, wo der verschneite Steig steil abzufallen begann.
»Fahr langsam«, mahnte der Ambros, dann setzte er sich oben auf die Truhe. Er stemmte sich mit den Füßen fest und faltete die klammen Hände.
War hart für den Kaspar. Gelebt hatten sie alle Tage wie zwei junge Liebesleute, und um die Burgl trauerte er wie seine Lina. Mochte der Herrgott ihm sein Weib erhalten. Wenn der Winter vorbei war, mußte auch auf der Gschwend wieder die Sonne scheinen, und dann konnte man im guten und in Freundschaft an die Burgl denken und von ihr reden. Im Forsthaus auf der Guglwies schlugen die Hunde an, als sie vorbeifuhren. In der Küche brannte ein Licht. Werden sich wohl auch bald auf den Weg machen zur Beerdigung.
Leicht zischten die Schlittenkufen, als sie wieder in den Wald einbogen.
»Sie hat alleweil vom Förster Greiner geredet«, wandte sich der Kaspar um.
Der Ambros nickte nur. Der Himmel gab nur ein schwaches Licht in die dunkle Schneise, in der das Waldsträßlein abwärts führte. Unter der Schneelast neigten sich die Bäume, als wollten sie der Toten die letzte Ehre erweisen. Ihre bizarren Gestalten schienen sich zu bewegen. Wie hatte sich die Burgl oft freuen können über diese Waldgeister, die mit weißen Kapuzen und langen Mänteln wie vermummte Menschen aussahen. Wie hatte sie dieser Wald gefreut, im Sommer und im Winter! Als sie damals zur Einöde hinaufgezogen waren, hatte er ihr die bange Neugier vom Gesicht abgelesen, und es war sein schönster Tag, als sie angesichts der Häuser und der grünen Waldblöße der Gschwend aufjubelte und sagte, daß es kein schöneres Plätzlein geben könne.
Diese Erinnerung riß den ganzen Schmerz auf, der in ihm gebohrt hatte, ihn so stumm und trostlos machte, daß keine Träne kam, um das brennende Feuer in den Augen zu löschen.
Erschreckt zuckte der Ambros zusammen, als der Kaspar plötzlich laut aufweinte, ein rauhes Schluchzen, das vom Wald her schaurig und wie das Heulen eines geschundenen Tieres widerhallte. Wo im Tal der Teufelsbach zur Straße kam, hielt der Kaspar an und wischte sich mit den Joppenärmeln über die Augen. Heiser und schamrot sagte er zum Ambros, der vom Schlitten gestiegen war und nun neben ihm herging:
»Hab mir nimmer helfen können — mußt verstehen.«
Dieser nickte nur und sah ihn mit hellen Augen an. Es war hell geworden, und als sie aus dem Wald waren, wischte der hohe Bergwind am Himmel einen blauen Flecken frei.
Auf dem Dorfplatz erwarteten die Dorfleute die Tote, und die Leichenträger luden den Sarg vom Schlitten auf eine Trage um. Stumm drückten die Angehörigen der Burgl dem Kaspar die Hand. Wie eine Schar schwarzer Raben, die sich auf den Dorfplatz niedergelassen hatten und im Schnee fröstelten, umstanden die Frauen von Stinglreut die schlichte, braune Truhe, während die Männer im Hintergrund blieben. Die Totenglocke fing zu läuten an, der Pfarrer kam, betete über dem Sarg und ging ihm dann voran in den Friedhof. Durch den hohen Schnee war ein Weg zum frischen Grab freigemacht, den die Träger mit dem Sarg gingen, während sich die Trauergäste, kniehoch durch den Schnee und über die Gräber watend, um die offene Grube verteilten. Die Familie des Sägmüllers weinte laut um die Tochter und die Schwester, die im schönsten Lebensalter hatte sterbenmüssen. Der Kaspar Thums stand am Grab und starrtemit entzündeten Augen in die dunkle Tiefe, in die man die Burgl hinabgesenkt hatte, und der Ambros zeigte kaum eine Bewegung im starren Gesicht.
Die Holzbäuerin flüsterte der Kramerin zu: »Das sind wirklich die Narren von der Gschwend, Leut wie Holzstöcke, die haben kein Herz, und die Einöd hat sie steinhart gemacht.« In sich gekehrt, betete der Pfarrer die Einsegnung und wandte sich dann an die Trauergemeinde. Seine kurze Ansprache verriet, daß er selber um ein gutes Pfarrkind trauerte. Sie standen steif und still im Schnee und unter dem aufklarenden Himmel und lauschten auf seine Worte.
»In der Blüte ihres Lebens hat der Herr seine Dienerin Walburga Thums zu sich genommen. Der Tod hat in eine kleine, glückliche Gemeinschaft, die weit von uns droben in der Einsamkeit des Bergwaldes lebt eine schmerzliche Lücke
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