Das Gluecksarmband
New Yorker traditionell während der Feiertage hingehen, also Rockefeller Center, Bryant Park … Das können Sie sich selbst überlegen, ja? Die Journalistin heißt Suzanne Lee. Sie steht in unserem Telefonverzeichnis, das werden Sie brauchen.»
Bei diesen Worten zog Billy eine Schreibtischschublade auf und nahm einen zusammengehefteten Packen Papier heraus. «Kopieren Sie sich die Liste, ich möchte sie zurückhaben. Rufen Sie Suzanne an, stellen Sie sich als ihr Fotograf vor – so funktioniert das immer besser – und fragen Sie nach ihren Wünschen. Aber kopieren Sie zuerst die Liste.»
Greg nickte. Plötzlich fühlte er sich überwältigt.
Billy legte ihm die Hand in den Rücken und lenkte ihn zur Tür. «Wenigstens gehen Sie bei diesem Auftrag nicht das Risiko ein, die Zähne zu verlieren, was? Andererseits, so wie ich Suzanne kenne …»
Bevor Greg es sich versah, stand er draußen vor der Tür eines Chefredakteurs, mit einem Mitarbeiterverzeichnis der
New York Times
in der Hand. Gut, es war nur eine Beschäftigung auf Probe, aber …
Er grinste. Plötzlich begriff er, was in den Footballspielern vorging, wenn sie sich gegenseitig mit Gatorade bespritzten. Ja, jetzt verstand er das.
So fühlte man sich also, wenn ein Traum wahr wurde.
11
G eistesabwesend schaute Molly aus dem Fenster. Sie rief sich noch einmal alles in Erinnerung, was sie am Wochenende über das fremde Glücksarmband erfahren hatte. Dabei war sie so tief in Gedanken versunken, dass sie einen Moment brauchte, bis sie wahrnahm, dass draußen vor dem Schaufenster eine Frau eine kleine Pantomime aufführte.
Das durfte nicht wahr sein … Nach dem Lunch war sie so zerstreut gewesen, dass sie vergessen hatte, das Schild an der Tür wieder auf «Geöffnet» zu drehen. Zum Glück war Carole heute bei ihrer Familie, um Chanukka zu feiern. Sonst hätte ihre Chefin sie umgebracht …
Molly flitzte zur Tür und ließ die Frau herein. «Entschuldigen Sie bitte …»
«Schon gut.» Die Kundin lachte. «In der Vorweihnachtszeit hat man leicht mal solche Aussetzer!»
Sie war schön gekleidet, und das lange braune Haar mit den blonden Strähnchen umrahmte perfekt geschnitten ihr Gesicht.
«Kann ich Ihnen irgendwie helfen?» Molly schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln.
«Ja. Meine Mutter ist ganz verrückt nach Gucci. Haben Sie vielleicht eine Tasche oder so was? Ich möchte, dass sie bei der Bescherung den Mund nicht mehr zukriegt.» Sie warf Molly einen vielsagenden Blick zu. «Diesmal will ich die Lieblingstochter sein, verstehen Sie?»
Molly nickte, obwohl sie natürlich gar nichts verstand. Sie bemühte sich nur, nicht neidisch zu werden, als sie sich daranmachte, Handtaschen aus den Regalen zu nehmen und zu jeder eine kleine Geschichte zu erzählen. Ach, sie selbst konnte ihre Verwandten an einer Hand abzählen – selbst wenn sie Kate dazurechnete, die wie eine Schwester für sie war. Das war das Schwierigste an den Feiertagen. Die Menschen in ihrem Leben waren ihr natürlich lieb und teuer, aber sie sehnte sich seit jeher nach einem großen Familienessen, bei dem alle um den Tisch herumsaßen und bei reichlich gefüllten Tellern scherzten und lachten. Wie das wohl ist?, fragte sie sich wehmütig, während sie zuschaute, wie ihre Kundin eine schicke Gucci-Umhängetasche aus den 1980 er Jahren begutachtete.
«Wie was wohl ist?», fragte die Kundin und sah Molly an, die zu ihrem Entsetzen feststellte, dass sie ihren Gedanken laut ausgesprochen haben musste.
«Wie das wohl ist, wenn die Schwiegermutter … denn diese Tasche ähnelt der Tasche, die Mia Farrow einmal Weihnachten zu ihren Schwiegereltern mitgebracht hat …», improvisierte Molly, um der Frage auszuweichen.
«Mia Farrow hat Schwiegereltern?» Ungläubig schaute die Kundin sie an.
«Doch, sie hatte welche – aber das war natürlich lange, bevor sie Woody kennenlernte und die vielen Kinder adoptierte.»
«Ach so …»
«Damals hat sie noch für Metro Goldwyn Mayer gearbeitet. Sie hatte gerade Frank geheiratet», fuhr Molly fort. Jetzt erwärmte sie sich für ihr Thema. «Er nahm sie nach Hoboken mit, weil sie seine Mutter kennenlernen sollte – sein Vater war schon lange tot. Allerdings, wie alt war Frank wohl, als er Mia heiratete? Bestimmt schon fünfzig oder so … Daher zog sie los und kaufte sich was Anständiges: Sie wissen schon, eine Sonnenbrille à la Jackie O., Gucci-Tasche, rosa Chanel-Kostüm … Sie dachte das würde einen guten Eindruck auf die
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