Das Glücksbüro
Tag war die Hölle!
Schwerfällig raffte er sich auf und schlich nachdenklich in die Kantine, stotterte als Letzter in der Schlange zur Essenausgabe, bemerkte nicht einmal, was ihm auf den Teller geladen wurde, und suchte seinen Platz.
Der war besetzt, natürlich.
Ein paar Meter weiter saß Dr. Bernd Wehmeyer alleine an einem Tisch, so steuerte Albert auf ihn zu und fragte, ob er sich dazusetzen durfte. Er durfte.
»Mahlzeit, Herr Glück«, grüßte Wehmeyer.
»Mahlzeit, Herr Wehmeyer«, antwortete Albert matt.
Albert bemerkte, dass Wehmeyer gute Laune hatte, was ihm ein sehr jungenhaftes Aussehen verlieh. Für einen Referatsleiter war er ohnehin erstaunlich freundlich, wie jemand, der an das Gute im Menschen glaubte, ohne es nach außen zu propagieren. Albert mochte ihn, fand allerdings, dass Wehmeyer dann und wann mehr Autorität ausstrahlen könnte. Mehr Ernsthaftigkeit.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte Wehmeyer.
»Gut, danke. Und selbst?«
»Bestens.«
Er pickte ein Stück Schnitzel auf und biss herzhaft hinein. Ein zufriedener Bub, der heute sein Lieblingsessen bekam. Albert hingegen schubste eine Erbse mit der Gabel über den Teller, und als es nicht mehr weiterging, nahm er sich die nächste vor.
»Stimmt was nicht?«, fragte Wehmeyer.
Albert zögerte, dann sagte er: »Finden Sie nicht auch, dass das Essen hier in letzter Zeit schlechter geworden ist?«
Wehmeyer wirkte einen Moment lang irritiert: »Hm, heute nicht.«
»Aber sonst?«
Wehmeyer dachte einen Moment nach und antwortete: »Na ja, ein bisschen besser könnte es schon sein.«
Albert sah ihn an: »Ist irgendetwas mit dem Küchenchef?«
Wehmeyer hörte auf zu kauen, sah sich kurz um, dann nickte er unauffällig: »Ich hab gehört, seine Frau hätte ihn verlassen. Schon vor Monaten. Er nimmt sich das wohl sehr zu Herzen.«
Albert nickte abwesend.
»Was ist denn los, Her Glück? Sie sprechen doch sonst nie über Klatsch im Haus.«
Albert antwortete zögerlich: »Da gibt es etwas sehr Seltsames …«
Wehmeyer nickte: »Ich weiß, Herr Glück. Ein Wolf.«
»Bitte?«
»Wir haben einen Wolf in der Behörde.«
Albert wurde bleich. Starrte Wehmeyer an und wusste nicht, was er sagen sollte. Erst als Wehmeyer grinste, fühlte er wieder einen Puls: »Herr Schulze behauptet, wir hätten einen Wolf in der Behörde.«
»Oh.« Albert stieß es förmlich aus, so erleichtert war er. Er hätte nicht gedacht, dass Mike so dumm sein würde, ausgerechnet Wehmeyer von seinem Verdacht zu erzählen.
»Der schließt seinen Schreibtisch ab oder verstellt sein Passwort.«
»Tatsächlich?«
Wehmeyer lachte: »Bin gespannt, was als Nächstes kommt … nicht zu fassen.«
Albert atmete tief durch – von Mike würde keine Gefahr mehr drohen. Ohnehin hatte er einen schwachen Stand bei Wehmeyer, jetzt aber würde alles, was er noch vorbringen würde, bestenfalls ins Lächerliche gezogen: Mike Schulze und der böse Wolf – das klang doch eigentlich ganz hübsch. Irgendwie nach einer Abmahnung.
Wehmeyer beugte sich zu ihm herüber und sprach plötzlich ganz leise: »Darf ich Ihnen ein Geheimnis verraten?«
»Ja.«
»Direktor Sommerfeldt geht bald in Pension …«
»Das ist kein Geheimnis«, antwortete Albert knochentrocken.
Wehmeyer verdrehte die Augen: »Jetzt lassen Sie mich doch mal ausreden!«
»Verzeihung.«
Wehmeyer sah sich wieder nach links und rechts um und flüsterte: »Er hat mich als seinen Nachfolger im Auge.«
»Gratuliere.«
»Dadurch würde mein Platz frei …«
»Vermutlich.«
Wehmeyer richtete sich auf und klang genervt: »Herrgott, Herr Glück! Ich möchte, dass Sie mich beerben. Sie sind der Einzige, der hier seine Arbeit korrekt erledigt.«
Albert blickte ihn überrascht an. Er freute sich sehr darüber, dass seine Arbeit geschätzt wurde, doch in all den Jahren im Amt hatte er sich nie um eine Beförderung bemüht und auch nicht danach gestrebt. Die damit verbundenen Veränderungen schreckten ihn. Was, wenn Konferenzen mit anderen Referatsleitern anstanden? Wenn er versetzt würde? Dienstreisen geplant wären? Die Welt da draußen würde eindringen und ihn so exponieren, dass ein normales Leben nicht mehr möglich wäre. Er würde sehenden Auges in seinen Untergang laufen. Daher antwortete er ruhig: »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Wehmeyer. Aber ich möchte nicht.«
»Wie bitte?«
Es war Wehmeyer anzusehen, dass er mit dieser Reaktion am allerwenigstens gerechnet hatte.
»Mein Job gefällt mir«, antwortete
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