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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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demonstrieren, dass Wehmeyer so kurz vor Feierabend nicht mehr so recht gewillt war, sich in irgendeiner Weise mit dem Amt zu beschäftigen. Albert ließ sich davon nicht beeindrucken, saß vor seinem Schreibtisch und beobachtete Wehmeyers Gesicht, dessen Blick lustlos über den Antrag huschte.
    »Nein, noch nie gesehen«, sagte er und versuchte, den Antrag wieder loszuwerden.
    Albert jedoch machte keine Anstalten, ihn anzunehmen, und antwortete: »Ich auch nicht.«
    »Vielleicht von einer anderen Behörde?«
    »Nein.«
    Wehmeyer hielt den Antrag immer noch über den Schreibtisch, zog ihn dann aber wieder zu sich heran: »Sieht echt aus.«
    »Er ist echt«, antwortete Albert.
    »Sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher«, antwortete Albert beinahe schon beleidigt.
    Wehmeyer nickte: Albert Glück machte niemals verbindliche Aussagen, wenn er sich nicht sicher war.
    »Was mache ich denn jetzt?«
    »Legen Sie es auf Wiedervorlage.«
    Wehmeyer reichte den Antrag erneut über den Schreibtisch, aber Albert nahm ihn einfach nicht an.
    »Wiedervorlage für was?«
    »Für den Fall, dass sich die Antragstellerin bei Ihnen meldet. Was beantragt sie überhaupt?«
    »Ist nicht vermerkt«, antwortete Albert knapp.
    Wehmeyer stutzte, sah wieder auf den Antrag: »Irgendwas muss sie doch beantragen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie die Antragstellerin … Anna Sugus … mal angerufen? Anna Sugus. Seltsamer Name.«
    »Palindrome«, sagte Albert.
    »Wie bitte?«
    »Palindrome. Man kann sie vorwärts wie rückwärts lesen.«
    Wehmeyer hielt den Antrag vor sich und las: »A-n-n-A S-u-g-u-S. Tatsächlich.«
    »Sehr ordentlich, der Name, meine ich.«
    Wehmeyer runzelte die Stirn.
    »Wann hatten Sie eigentlich das letzte Mal Urlaub, Herr Glück?«
    Die kleine Spitze war Albert nicht verborgen geblieben, so schwieg er und überkreuzte die Arme vor der Brust. Wehmeyer seufzte, geradezu als ob das Schicksal der Erde auf seinen schmalen Schultern lastete, dann beugte er sich über seinen Schreibtisch und drückte Albert den Antrag in die Hand.
    »Rufen Sie sie an.«
    »Sie hat kein Telefon.«
    Wieder so ein Seufzer, ein versteckter Blick auf die Uhr: 16.   00. Ab jetzt begann die erste Überminute.
    »Und Sie sind sicher, dass sich niemand einen Scherz erlaubt?«, fragte er.
    Albert nickte: »Ja.«
    Sie saßen sich gegenüber und schwiegen. So lange, dass für beide bereits die zweite Überminute anbrach.
    Albert fragte: »Was machen wir jetzt?«
    Wehmeyer zuckte mit den Schultern: »Wenn Sie das nicht wissen, Herr Glück, weiß ich das auch nicht. Niemand weiß über Verwaltungsabläufe so viel wie Sie.«
    »Aber etwas müssen wir machen«, beharrte Albert, »es ist ein Antrag.«
    Wehmeyer faltete die Hände wie zum Gebet und legte dabei die Zeigefinger auf die Lippen: »Verstehe. Das ist ein Problem.«
    Zufrieden nahm Albert zur Kenntnis, dass Wehmeyer den Fall endlich in seiner ganzen Dimension begriff: Er hatte die Augen geschlossen und dachte nach. So heftig, dass die Augäpfel unter den Lidern zuckten, als ob er in einen heftigen REM -Schlaf gefallen wäre.
    Jetzt konnte er beweisen, aus welchem Holz er geschnitzt war, denn dieser Antrag war ein Problem. Hier brauchte es den ganzen Beamten, den Mann mit einer Idee. Einen, der noch ein As im Ärmel hatte, der zeigte, dass die Verwaltung flexibel genug war, auch Unvorhergesehenes zu verwalten. Kurz: Es brauchte einen Superhelden.
    »Heften Sie es ab, bis das Rätsel gelöst ist«, sagte Wehmeyer schließlich. Er stand auf und begleitete Albert bis an die Tür: »Manche Dinge brauchen schlicht Zeit. Meine Güte, ist es wirklich schon 16.05   Uhr?«
    Sie gaben sich die Hände: »Bis morgen. Schönen Feierabend, Herr Glück.«
    Albert nickte: »Ja, bis morgen dann. Schönen Feierabend.«

15.
    Natürlich wurde es kein schöner Feierabend. Im Gegenteil: Der komplette Tag war ruiniert. Als Krönung verpasste Albert sogar Legenden der Leidenschaften , weil ihm E 45 keine Ruhe ließ. Stattdessen saß er in seinem Büro und klebte ein neues Ordnerschild auf eine leere Akte. Mit schwarzem Filzstift schrieb er drauf: Diverse .
    Wie leicht der Ordner war! So knochig. Hohl, wenn man daran klopfte. Die schöne runde Aussparung auf dem Rücken zeigte nichts als den Hebelmechanismus für das Heftgut. Es war, als sähe man auf ein Skelett. Eine große hungrige Klappe, die darauf wartete, dass sie irgendjemand endlich fütterte. Irgendwie … deprimierend.
    Bei allen anderen Ordnern war die Arbeit durch dieses

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