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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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Guckloch abzulesen. Blatt für Blatt sauber geordnet, in Reih und Glied, bearbeitet und dokumentiert. Der bloße Anblick hob die Stimmung, machte Lust, den Ordner aufzuklappen und das zu betrachten, was man schon geschafft hatte. Und hier? Nichts. Dann nahm er E 45, lochte und heftete den Antrag ein. Ein dünnes Blatt, ein hohler Ordner. Das war alles. So gut wie nichts.
    Das war sogar ziemlich deprimierend.
    Er stand auf, öffnete den Aktenschrank und sah auf viele schöne Ordner: A 12, A 401, B 20, B 21, E 12, E 42, E 44, D 23, D 221, F 01 und F 04. Prall gefüllt, saftig, zum Anbeißen schön. Daneben stellte er diesen Hungerordner Diverse .
    Das sah ja grauenvoll aus!
    Schnell zog er den Ordner wieder heraus, entnahm ihm den Antrag und legte ihn in das Ablagefach Wiedervorlage . Das war zwar auch nicht schön, aber bei Weitem nicht so katastrophal wie Diverse .
    Später erledigte er seine Wäscheroutine – und dachte an den Antrag. Er vertrat sich die Beine mit einem langen Spaziergang durch das labyrinthische Amt – und dachte an den Antrag.
    Am Abend saß er dann bei Kerzenschein in der Kantine und aß ohne jede Lust sein Coq au Vin , das er ganz besonders sorgsam und konzentriert zubereitet hatte, um nicht an den Antrag zu denken. Das Huhn war großartig, aber es schmeckte ihm nicht, weil der Antrag neben ihm auf dem Tisch lag. Nicht besonders schlau, wie Albert insgeheim zugeben musste. Aber den Antrag im Fach Wiedervorlage liegenzulassen, auf dass er ihn am Morgen als Erstes gleich wiedersehen würde, schien ihm auch nicht besonders schlau zu sein.
    Schließlich war Albert so durcheinander, dass er auch noch seine allabendliche Einschlafzeit um 22.00   Uhr vergaß. Vielmehr hatte er sich, um nicht an E 45 denken zu müssen, so auf seine von ihm so geschätzten Dienstvorschriften konzentriert, dass ihn beim nächsten Blick auf seinen Wecker großer Ärger erfasste: 22.43   Uhr.
    Was war denn heute nur los?!
    Was für ein missratener, chaotischer, unruhiger, blöder Tag war das denn? Und müde war er auch nicht. Nicht wie sonst, wo er einfach nur das Licht löschen musste, um im nächsten Moment auch schon eingeschlafen zu sein. Nichts als Aufregung. Nichts als Missmut, Verdruss und schlechte Laune. Was war denn nur passiert, dass er so aus der Fassung geraten war?
    Wütend schlug er gegen den Lichtschalter, ließ sich auf das Kopfkissen fallen und starrte in die Dunkelheit. Doch schon im nächsten Moment schoss er nach oben, saß kerzengrade in seinem Bett, machte Licht und hatte eine Erleuchtung.
    Schulze!
    Er schnappte sich den Antrag und prüfte ihn noch mal: Er war perfekt. Ein echter Antrag. Das konnte nur heißen, dass er von jemandem kam, der sich im Verwaltungswesen auskannte … Gut, das passte nicht unbedingt auf Schulze, aber er war lange genug dabei und auch leutselig genug, dass er einen Drucker mit der Herstellung eines einzelnen Antrages hätte beauftragen können. Um ihn, Albert, an der Nase herumzuführen. Um heimlich dabei zuzusehen, wie Albert nach und nach durchdrehte.
    Schulze! Das war die Lösung. Ein hinterhältiger, verschlagener Scherz auf seine Kosten. Das passte.
    Albert sprang auf, eilte im Pyjama aus seinem Zimmer, huschte die Treppen und Gänge hinauf in sein Büro. Unter seinem Schreibtisch stand ein Reißwolf. Zufrieden sah Albert, wie die Maschine den Antrag langsam hineinzog und ihn knirschend in viele schlanke Streifen schnitt. Ja, friss ihn, dachte Albert, reiß ihn in Stücke und schluck ihn runter. E 45! Von wegen.
    Er löschte das Licht, schloss die Bürotür hinter sich und reckte sich ausgiebig. Gott, wie müde er auf einmal war. Es war, als würde große Anspannung von ihm abfallen. Er hatte ein kniffliges Problem gelöst. Er war Stempel-Man ! Ein Superheld.
    Was für ein schöner Tag.

16.
    Am nächsten Morgen betrat Albert beschwingt und mit dem Geschmack von Mayonnaise im Mund sein Büro: herrlich! Alles war wie immer. Aufstehen um fünf Uhr. Geburtstag in Abt. III, Zimmer 221, Hilde Oetting   /   Bianca Linder , Schulze mal wieder zu spät, und auf seinem Schreibtisch lag der Antrag.
    Alberts Magen krampfte augenblicklich.
    Wie war das möglich?! Er hatte ihn vernichtet. Getötet. Der Reißwolf hatte ihn verschlungen. Es war unmöglich, dass er noch lebte! Aus dem Bauch des Reißwolfs gab es kein Zurück mehr! Leichenblass setzte sich Albert auf seinen Stuhl und hob den Antrag mit zitternden Händen an: Er war zurückgekommen. Ohne Zweifel.

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