Das Glücksbüro
er die Bürotür und setzte sich auf den Platz vor dem monströsen Schreibtisch, ohne abzuwarten, ob Sommerfeldt ihm überhaupt einen Platz anbot.
Der tippte bereits zackig mit dem Zeigefinger auf die Schreibtischplatte und herrschte Wehmeyer an: »Wie ich eben festgestellt habe, ist das Glücksbüro immer noch geöffnet.«
Wehmeyer nickte.
»Ich will, dass das so-fort aufhört!«
»Das ist nicht so leicht«, antwortete Wehmeyer ruhig.
Sommerfeldt bellte zurück: »Und warum ist das nicht so leicht, Herr Wehmeyer?«
»Weil Herr Glück nichts Ungesetzliches tut. Ich kann ihn nicht daran hindern, Anträge auszufüllen.«
»Dann lassen Sie sich etwas einfallen, Wehmeyer. Versetzen Sie ihn!«
Wehmeyer runzelte die Stirn: »Versetzen? Er arbeitet seit über dreißig Jahren in dieser Abteilung.«
Sommerfeldt schlug mit der Hand auf den Schreibtisch: »Das ist mir egal. Versetzen, den Mann! Sehen Sie in seinen Arbeitsvertrag – und dann weg!«
In Wehmeyer regte sich heftiger Widerstand, doch statt einer Antwort presste er die Lippen aufeinander und nickte. Er stapfte zurück in die Personalabteilung und machte sich auf die Suche nach Alberts Personalunterlagen.
57.
Es war schon später Abend, als Albert in die Wertbergstraße zurückkehrte, aber diesmal war er nicht alleine. Hinter ihm betrat eine junge Frau den Flur, die in der einen Hand eine Aktentasche, unter dem anderen Arm einige Rollen Millimeterpapier im A1-Format trug.
»Anna?«, rief Albert schon im Flur und legte sein Sakko ab. »Ich möchte dir jemanden vorstellen!«
Sie betraten nacheinander das Wohnzimmer, in dem Anna auf dem Sofa gesessen und sich skeptisch eines ihrer Bilder angesehen hatte. Verächtlich verzog sie den Mund und spülte mit einem Schluck Rotwein nach, dann rupfte sie es von der Palette und riss es in zwei Stücke.
»Das ist Julia Berger.«
Anna blickte ihn verwundert an und gab Julia überrumpelt die Hand. Die lächelte freundlich und sagte: »Ihr Mann hat mir schon ganz viel von Ihnen erzählt! Sie sind eine Künstlerin, nicht?«
Anna grinste: Hatte Albert sie tatsächlich als seine Ehefrau vorgestellt? Das berührte sie so sehr, dass sie ganz vergaß, sich selbst vorzustellen. Julia Berger schien das nichts auszumachen, sie suchte gleich nach einem Tisch und breitete dort ihre Unterlagen aus.
»Ich hab so tolle Ideen!«, schwärmte sie und kramte immer mehr Unterlagen aus ihrer Tasche. »Und ich bin so gespannt, was Sie noch dazu einbringen werden. So eine Möglichkeit bekommt man nicht alle Tage!«
Anna sah Albert fragend an.
Der erklärte: »Frau Berger ist Architektin. Sie wird ein Haus für uns bauen. Am Meer. Genau wie du es dir schon immer gewünscht hast.«
Annas Wimpern klimperten wie Dioden eines Computers, der unter Volllast lief, um alle einprasselnden Informationen so schnell wie möglich zu bearbeiten. Da war unbändige Freude, aber gleich darauf Furcht, die einen befällt, dass lang ersehnte Träume in die Brüche gehen könnten, bevor sie überhaupt die Chance hatten, wahr zu werden.
Sie wandte sich Julia zu: »Sie entschuldigen uns einen Moment?«
»Natürlich.«
Sie nickte Albert zu und sagte süßlich: »Kann ich dich mal sprechen?«
Mit einer Geste wies sie ihn ins Schlafzimmer, folgte ihm und schloss die Tür hinter sich.
»Was ist denn los mit dir, Albert?«
»Was soll denn los sein?«, fragte Albert unschuldig zurück.
»Ich weiß deine Spontanität zu schätzen, Lieber, nur scheint dir nicht ganz klar zu sein, was so ein Haus am Meer kostet.«
Albert zuckte mit den Schultern: »Na ja, ganz billig wird es wohl nicht.«
Anna lachte kurz auf und sagte: »Du warst eine ganze Weile weg, Albert. Seitdem haben sich die Preise ziemlich entwickelt, weißt du?«
»Vermutlich.«
»Wir können uns das nicht leisten!«
»Natürlich können wir uns das leisten!«, beharrte Albert.
»Was redest du denn da?«, fragte Anna irritiert.
Anstatt zu antworten, wandte sich Albert einer Kommode zu, suchte in der untersten Schublade zwischen seinen Socken und der Unterwäsche eine dünne Kladde heraus und überreichte sie Anna.
Sie klappte sie auf und blickte auf eine Vermögensaufstellung.
Auf Alberts Vermögen.
Es war auf diversen Konten und in diversen Fonds angelegt. Nichts Riskantes, aber zu einer Zeit angespart, als Zinsen sich spürbar bemerkbar machen konnten. Ganz unten dann die Summe aller Anlagen.
Anna riss den Mund auf und hielt gleichzeitig die Hand davor.
»1.134.245 Euro und 43
Weitere Kostenlose Bücher