Das Glücksbüro
retten. Es war Montag, und er hatte bereits zwei Mitarbeiter wegen Lappalien angeschrien und stellte fest, wie gut das nicht nur ihm selbst tat, sondern auch seiner Behörde, die wieder wie ein Uhrwerk funktionierte.
Seine Sekretärin Adele Lüth hatte ihm einen Tee auf den Schreibtisch gestellt und die Zeitung gebracht, die er mit schnellen Blicken nach Meldungen über weitere verdächtige Vorkommnisse mit durchgedrehten Beamten absuchte, die in ihrer eingeschränkten Sicht das Wohl aller gefährdeten. Er hielt so verbissen nach kleinen Meldungen Ausschau, dass er die eine große gar nicht sah. Erst nachdem er sich schon beinahe entspannt hatte, blieb sein Blick an der Überschrift des Artikels hängen, und sein Puls schnellte so in die Höhe, dass ihm erst die Adern an den Schläfen, dann die am Hals heraustraten.
Er schrie aus Leibeskräften: » WEHMEYER !«
Die Eruption der Wut erschütterte das ganze Amt, wie ein Sonnenwind raste sie durch jede Wand und jede Tür bis tief hinein in die Fundamente.
Wehmeyer stand gerade an einem Aktenschrank, als es ihm kalt über den Rücken lief und er sich schaudernd umsah: niemand da. Dabei hätte er schwören können, dass irgendetwas durch sein Büro gehuscht war, etwas Kaltes, Hartes, Gemeines. Als ob es spuken würde. Er schüttelte sich, da klingelte das Telefon. Und ganz ohne magische Fähigkeiten wusste er, dass das nichts Gutes sein würde.
Nur zwei Minuten später saß er wieder auf dem viel zu kleinen Stuhl vor Sommerfeldts Schreibtisch und blickte hinauf zu einem Mann, der ihn fixierte wie ein Habicht eine Maus.
»Ich glaube mich erinnern zu können, dass ich Sie gebeten hatte, diese Sache mit dem Kollegen Glück zu regeln.« Die Stimme war eisig.
»Ja, schon …«
» UND WAS IST DAS HIER? «
Die Teetasse zitterte, ohne dass Sommerfeldt auch nur in die Nähe gekommen wäre. Er schmetterte die Zeitung vor Wehmeyer, dass dessen Krawatte einen kleinen Hüpfer tat. Die entsprechende Seite war bereits aufgeschlagen und Wehmeyer musste den Artikel gar nicht lesen, die Überschrift reichte vollkommen aus, um zu wissen, was darin stand: Das Glücksbüro .
Dort stand es schwarz auf weiß in riesigen Lettern. Für alle sichtbar. Und natürlich gab es auch einen Link ins Internet, sodass es nicht nur die Region lesen konnte, sondern die ganze Welt.
» SO REGELN SIE DAS? «
Sommerfeldt spürte, dass er einem Infarkt nahe war, und zwang sich zu ruhiger Atmung. Er ging um seinen Schreibtisch herum, packte die Zeitung und las: »Ich darf mal zitieren, ja? Nichts ist unmöglich für Albert Glück. Er kennt den Weg durch den Paragrafendschungel. Wer zu ihm kommt, der findet sein eigenes kleines Glück. «
Er warf die Zeitung verächtlich auf den Schreibtisch zurück und fixierte Wehmeyer: »Dieser Mann ist eine Gefahr, Herr Wehmeyer. Und er lauert in Ihrer Abteilung.«
Wehmeyer, blass und verlegen, räusperte sich, um etwas Zeit zu gewinnen. Der Ausbruch Sommerfeldts hatte ihn kalt erwischt und entsprechend eingeschüchtert: »Ich hatte keine Ahnung, Herr Direktor …«
»Es ist aber Ihr Job, eine Ahnung davon zu haben. Und wenn Sie das nicht können, finde ich einen anderen, der es kann.«
Wehmeyer nickte: »Ich kümmere mich darum, Herr Direktor.«
»Worauf warten Sie noch?«
Wehmeyer sprang auf und eilte aus Sommerfeldts Büro, froh, dessen aggressiver Übellaunigkeit nicht mehr ausgesetzt zu sein. Wie er diesen Menschen satt hatte! Er verließ den zwölften Stock, den ganzen Trakt, erreichte bald schon den siebten Stock und schluckte: Ging beim letzten Mal die Menschenschlange noch hinab bis in den vierten Stock, so standen die Menschen jetzt schon im Foyer.
Wehmeyer stolperte die letzten Stufen hinab und begann zu rennen: »Oh, nein, bitte nicht! Bittebittebitte …«
Die Wartenden flogen nur so an ihm vorbei, während er den langen Flur hinablief zu Alberts Büro. Wieder griff er nach der Türklinke und wieder hielt ihn der Erste in der Schlange davon ab: »He, hinten anstellen!«
» HALTEN SIE DIE KLAPPE !«
Es war förmlich aus ihm herausgebrochen, was nicht nur ihn selbst, sondern auch den Angeschrienen zusammenzucken ließ. Wehmeyer fasste sich als Erster, riss die Tür auf und schloss sie schnell wieder hinter sich.
Wie sah es denn hier aus?
Als hätte jemand ein Fjord aus Akten und Ordnern nachgebaut. Und da saß ja auch Herr Glück hinter seinem Schreibtisch und stempelte wie wild auf Anträgen herum.
Wehmeyer sog entsetzt Luft
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