Das Glücksbüro
Cent«, kommentierte Albert nüchtern.
»Du … du … bist Millionär? Du bist ja Millionär!«
»Na ja«, gab Albert bescheiden zu, »es ist nur eine. Aber das ist ja die schwerste, wie man so sagt.«
»Wie …?«
Mehr brachte Anna nicht raus.
»Ich habe eine gutbezahlte Stelle. Und du darfst nicht vergessen, dass ich so gut wie nichts davon ausgegeben habe. Kein Urlaub, keine Miete, keine nennenswerten Lebenshaltungskosten, keine teuren Hobbies … genauer gesagt: gar keine Hobbies. Wenn man das Geld geschickt anlegt, arbeitet die Zeit für einen mit. Und ich hatte viel Zeit, weißt du?«
»Das gibt’s doch nicht!«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und wurde ganz ernst: »Ich will ein Haus bauen, Anna. Für dich. Da kannst du dann deine Bilder malen.«
Anna brach in Tränen aus. Und sie bemerkte nicht, dass Albert nicht gesagt hatte, dass er das Haus für sie beide bauen wollte, denn er ahnte, dass er es niemals sehen würde. Aber das machte nichts. Es reichte zu wissen, dass es ein Haus am Meer geben würde. In dem würde Anna am Fenster stehen, das Meer sehen. Und malen.
58.
Während Albert, Anna und Julia noch einen sehr vergnüglichen Abend mit vielen Ideen, Wein und Spinnereien hatten, entwickelte sich derselbe Abend für Bernd Wehmeyer mehr und mehr zu einer Katastrophe. Er hielt Alberts Personalunterlagen in den Händen und wünschte sich, er hätte sie niemals gefunden. Eine Weile dachte er darüber nach, sie einfach verschwinden zu lassen, aber irgendwann war er sich im Klaren darüber, dass Sommerfeldt danach fragen würde: Es gab keinen Ausweg für ihn.
Am nächsten Morgen grübelte er, ob es vielleicht einen günstigen Moment geben würde, um in Sommerfeldts Büro vorstellig zu werden, irgendeinen Moment, in dem er milde gestimmt sein könnte, aber die Wahrheit war: Es gab diese Momente nicht. Direktor Sommerfeldt würde ihn so oder so in Stücke reißen.
Er stieg die Treppen hinauf in den zwölften Stock und ihm war, als würde er zu seiner eigenen Hinrichtung gehen. Alles wog schwer, alles an ihm zog ihn zu Boden, sodass die letzten Meter sich anfühlten, als würde er durch einen tiefen Sumpf waten.
Er klopfte an und trat ein.
Sommerfeldt grüßte nicht einmal, sondern machte nur eine Geste, dass Wehmeyer sich vor seinen verdammten Diktatorenschreibtisch zu setzen hatte. Da saß er nun und wartete, bis Sommerfeldt seine Arbeit beendet hatte, was aufreizend lange dauerte.
Schließlich blickte er auf und sagte hart: »Ich höre.«
»Sie hatten mich doch gebeten zu prüfen, ob man Herrn Glück nicht versetzen könnte.«
»Und? Wo ist das Problem?«
Wehmeyer räusperte sich verlegen und antwortete: »Das Problem ist, dass Herr Glück gar nicht bei uns arbeitet.«
Sommerfeldts Augen verengten sich zu Schlitzen, und sein Gesicht wurde hart wie Stein. Wehmeyer hätte es um ein Haar komisch gefunden, denn Sommerfeldt sah tatsächlich aus wie ein mittelalterlicher Wehrturm mit zwei Schießscharten. Unglücklicherweise stand er selbst ohne jede Rüstung da, während sich spitze Pfeile langsam aus den Scharten vorschoben und auf ihn zielten.
»Bitte?«
Selbst die Stimme klang, als wäre sie Teil des Bollwerks.
»Sie missverstehen mich, Herr Direktor. Es ist nur so, dass Herr Glück niemals eingestellt wurde.«
Sommerfeldt antwortete schneidend scharf: »Wie bitte?«
Wehmeyer versuchte es beiläufig klingen zu lassen, doch damit verbesserte er die allgemeine Stimmungslage nicht: »Es scheint so, als hätte er vor etwa fünfunddreißig Jahren die Stelle eines gewissen Georg Steiner, äh, übernommen.«
Sommerfeldt entglitten die Gesichtszüge: »Das darf doch wohl nicht wahr sein?«
»Ich fürchte, es ist so.«
In einem Moment der Schockstarre sagte Sommerfeldt gar nichts, stierte Wehmeyer an, wobei man ihm deutlich anmerkte, was ihm gerade durch den Kopf ging: Diese Peinlichkeit! Und wie er damit vor den Kollegen, dem Ministerium, ja, der ganzen Welt dastehen würde, nämlich als totaler Versager.
»Dann arbeitet Herr Glück seit fünfunddreißig Jahren illegal mit vertraulichen Akten?« Sommerfeldt atmete schwer und schon sprang seine Stimme in eine hysterische Tonlage: »In meinem Amt?«
»Nun, wenn es Sie tröstet, Herr Direktor: Herr Glück war stets ein vorbildlicher Beamter.«
» WAS REDEN SIE DENN DA? «
Die Explosion ließ Wehmeyer ein Stück auf seinem Stuhl zurückrutschen. Falsche Antwort. Ganz falsche Antwort.
Er schluckte: »Ich fürchte, das ist noch nicht
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