Das Glücksbüro
alles …«
» WAS DENN NOCH? «
Es war, als tobte plötzlich ein arktischer Sturm durch das Büro, mit Temperaturen weit unterhalb des Gefrierpunktes. Hatte Wehmeyer je auf ein bisschen Verständnis gehofft, so war das soeben an den Nordpol geweht worden.
»Wir haben keine Adresse von Herrn Glück gefunden und festgestellt, dass er sich die Post immer aufs Amt schicken ließ … und auch andere Dinge wurden an diese Adresse geschickt … und … ich weiß nicht, wie ich das sagen soll …«
Sommerfeldt knurrte: »Sagen Sie es einfach, Wehmeyer – schlimmer kann’s ja wohl nicht mehr kommen …«
»Ich habe ein wenig nachgeforscht, und es scheint so zu sein, dass Herr Glück auch hier gewohnt hat.«
Ein kleines Fiepen folgte, offenbar das Geräusch von rasch eingesogener Luft bei gleichzeitig hochrot anlaufendem Kopf, der bei Wehmeyer den kleinen Hoffnungsschimmer weckte, Sommerfeldt würde dem Schock möglicherweise noch an Ort und Stelle erliegen. Aber Sommerfeldt tat ihm den Gefallen nicht und würgte heraus: »Und das hat keiner bemerkt?«
»Nein. Es hat sich einfach niemand darum gekümmert.«
Sommerfeldt ballte die Fäuste und zischte: »Dieser Herr … dieses Subjekt ist sofort aus dem Amt zu entfernen! Haben Sie das verstanden?«
Wehmeyer nickte nachdenklich: »Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben dürfte?«
»Was denn noch?«
»Wenn dieser Vorfall herauskommt, wird der Skandal unbeschreiblich sein. Bedenken Sie, dass wir Herrn Glück die ganze Zeit bezahlt haben.«
Für einen Moment sah Sommerfeldt so aus, als würde er ohnmächtig werden, denn seine Augenlider flatterten bedenklich, während er sich nach hinten in seinen Sessel fallen ließ.
»Wie viel?«
Wehmeyer ließ sich mit der Antwort Zeit, wohl wissend, dass sie nicht zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen würde.
»Nun … über die Jahre … etwa eine dreiviertel Million Euro.«
»Das ist eine Katastrophe!«
»Ja.«
Sommerfeldt sprang von seinem Sessel auf und begann, unruhig wie eine Raubkatze hinter Gittern in seinem Büro hin und her zu laufen. Sie brauchten eine Lösung, eine schnelle, endgültige Lösung.
»Wehmeyer, der Mann muss weg! Haben Sie verstanden?«
»Herr Direktor …«
Sommerfeldt blieb abrupt stehen – er lächelte. Ja, er lächelte tatsächlich!
»Ich habe es! Dieser Glück … der ist verrückt! Ja, das ist er. Er ist vollkommen verrückt. Der muss sofort zum Psychiater. Und der wird bestätigen, dass Albert Glück verrückt ist. Und dann werden wir dieses Subjekt entfernen. In aller Stille.«
Wehmeyer blickte ihn verwundert an und antwortete: »Herr Glück macht keinen verrückten Eindruck auf mich, Herr Direktor.«
» ACH? SIND SIE JETZT AUCH SCHON ARZT? «
»Nein, das nicht, es ist nur so, dass Herr Glück nicht den Eindruck macht, als wäre er nicht zurechnungsfähig. Ganz im Gegenteil.«
Sommerfeldt eilte auf Wehmeyer zu, als wollte er ihn angreifen, stattdessen aber beugte er sich zu ihm hinab, die Arme auf die Stuhllehnen gestützt, und schrie: »Es ist völlig egal, ob dieser Mensch verrückt ist oder nicht! Sie werden ein Gutachten veranlassen, und Sie können sich darauf verlassen, dass darin stehen wird, dass er verrückt ist! Haben wir uns da verstanden?«
»Und was ist, wenn er zur Presse geht?«
Sommerfeldt spuckte ihm beim Sprechen fast ins Gesicht: »Er ist verrückt, haben Sie verstanden? Der kann sagen, was er will. Und Sie werden allen Kollegen auch mitteilen, dass er verrückt ist! Und wenn es genug Zeugen gibt, die sagen, dass er verrückt ist, dann wird ihm niemand mehr glauben. Und wenn sein Leumund erst einmal zerstört ist und sich die Lage ein wenig beruhigt hat, dann werden wir ihn entlassen oder einweisen. Was auch immer. Aber Sie werden dafür sorgen, dass er verschwindet. Ist das klar?«
Wehmeyer sah Sommerfeldt ins Gesicht und stellte fest, dass er niemanden mehr hasste als diesen Mann. Und obwohl er so aggressiv auftrat und ihn wie nie zuvor einzuschüchtern versuchte, blieb er erstaunlich ruhig.
»Darf ich einen Vorschlag machen?«
Sommerfeldt straffte sich und betrachtete ihn misstrauisch: »Welchen?«
»Wir unternehmen nichts«, antwortete Wehmeyer sachlich.
Sommerfeldt starrte ihn entgeistert an: »Ich glaube, ich muss mich korrigieren: Nicht dieser Glück, sondern Sie sind offenbar verrückt geworden!«
Wehmeyer blieb völlig gelassen: »Herr Glück ist sehr krank. Er wird Ende des Jahres nicht mehr unter uns sein.«
»Das ist mir egal, Wehmeyer.
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