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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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flüsterte: »Ja.«
    Dann schlief sie ein.

61.
    Zwielicht.
    Tage zwischen Wachen und Schlafen. Das Gefühl, auf einem gläsernen Boden zu stehen, in die Tiefe zu blicken und nicht zu wissen, warum man nicht fiel. Draußen der Lauf der Sonne, rasend schnell und unendlich langsam, dazwischen die Nächte sanft und ohne Dunkelheit.
    Herzschläge, die zu Paaren vereint als wirbelnde Walzergesellschaften um seinen Kopf tanzten. Stimmen, die nach Nuss und Zitrone schmeckten, und das Summen der Neonbeleuchtung, das ihn elektrisch auflud und seine Körperbehaarung zu Berge stehen ließ.
    Da war Anna.
    Er konnte sie sehen. Und er konnte sich selbst durch ihre Augen sehen: Dünn war er geworden, blass, mit aufgesprungenen Lippen und glasigen Augen. Aber auch zufrieden, erstaunt wie ein Kind, das zum ersten Mal Dinge sieht, die es noch nie zuvor gesehen hat.
    Wie viel die Welt doch zu bieten hatte!
    Da war ein Doktor, der kein Gesicht hatte. Und eine Schwester, die kein Gesicht hatte. Sie hatten zwar Köpfe, Arme, Beine, aber nichts, woran man sie hätte erkennen können. Alles, was sie als Persönlichkeit ausmachte, hielt sich als fast durchsichtiges Wesen in der Nähe der konturlosen Körper auf und war doch mit ganz anderen Dingen beschäftigt als zu heilen: Einige lachten, andere schimpften, wieder andere flirteten miteinander oder versanken im Trübsinn, während die Körper Infusionen legten, Spritzen setzten, Maschinen ein- und ausschalteten. Manche liefen sich selbst den ganzen Tag hinterher, andere schienen ganz eigenen Interessen nachzugehen und ließen ihre Körper oft allein. Die Einzige, die immer ganz bei sich war, war Anna.
    Jemand drehte den Tropf seiner Infusionen herunter.
    Das Zwielicht bekam schärfere Konturen und die Körper der Intensivstation verbanden sich wieder mit ihren Geistern, der Geschmack, den ihre Stimmen verursachten, ließ nach und Gänsehaut hatte er auch keine mehr.
    Der Tropf wurde getauscht.
    Plötzlich war der Tag wieder Tag und die Nacht wieder Nacht. Da war das Piepen der Maschinen, aber keine Töne mehr, die um seinen Kopf tanzten. Albert bedauerte dies, denn er verließ eine Geisterwelt und betrat die reale, die nach Desinfektionsmitteln und Sorgen roch.
    Es wurde Abend.
    Anna saß bei ihm.
    »Albert?«
    »Ja?«
    »Morgen ziehen wir in ein normales Zimmer um.«
    Albert nickte schwach: »Das ist gut, oder?«
    »Ja«, antwortete Anna.
    Sie drehte sich zur Seite und weinte so still, dass er es fast nicht mitbekommen hätte.

62.
    Albert bekam ein Einzelzimmer mit einer hübschen Aussicht auf den kleinen Park, der das Krankenhaus umgab. Er schlief viel und erholte sich recht gut von der Behandlung auf der Intensivstation, hatte aber immer wieder Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Dass er dieses Krankenzimmer nicht wieder verlassen würde, beunruhigte ihn nicht, aber Anna zu sehen, wie sie tapfer versuchte, den Tod zu ignorieren, machte ihm Sorgen, denn er wusste selbst nur zu genau, dass sie das alles sehr hart einholen würde. Um sie abzulenken von den vielen Stunden des Schweigens und Wachens, schlug er ihr vor, die Staffeleien mitzubringen, damit sie malen konnte.
    Sie willigte ein.
    Und es verfehlte nicht seine Wirkung, denn plötzlich schien es, als lebte Anna auf: Sie hatte eine Idee! Nicht nur für ein Bild, nein, für einen ganzen Zyklus. Für eine neue Malerei. Albert war sehr zufrieden, sie so arbeiten zu sehen, so entschlossen, ja, geradezu enthusiastisch. Sie war inspiriert und inspirierend, sodass die beiden ihre Stunden genauso verbrachten, als wären sie zu Hause.
    Susanne besuchte Albert jeden Tag.
    Sie half ihm bei den Waschroutinen, für die er keine Kraft mehr hatte, berichtete aus dem Amt und von den vielen Menschen, die sie jeden Tag fortschicken und vertrösten musste. Und auch davon, dass sie wieder die Akten und Unterlagen von Büro zu Büro schob, so wie sie es früher getan hatte, und obwohl sie vorgab, dass ihr das nichts ausmachte, merkte Albert ihr an, dass dem nicht so war: Sie war wieder die Bürohilfe . Unsichtbar.
    Ein paar Tage später erwachte Albert aus einem unruhigen Schlaf und sah sich um: Anna hatte das Zimmer verlassen, aber ihre Staffelei, ihre Farben und Unterlagen machten den Eindruck, als hätte sie sie eben noch berührt. Sogar ihr Atem lag noch in der Luft.
    Draußen hatte es begonnen zu schneien.
    In der einsetzenden Dunkelheit segelten die dicken Flocken prall und weiß zu Boden, glitzerten im Widerschein der Zimmerbeleuchtungen, die

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