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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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sie passierten. Erst jetzt fiel Albert auf, wie still es war. Als ob die Welt aufgehört hätte, sich zu drehen, und als er nach draußen sah, schien genau das passiert zu sein, denn es bewegte sich nichts mehr: Die Schneeflocken standen still in der Luft.
    Leise öffnete sich die Zimmertür.
    Albert wandte sich um, und da war er: Georg.
    So wie er ihn in Erinnerung hatte, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten – vor fast fünfunddreißig Jahren. Das freundliche Grinsen, die langen Haare, die Koteletten. Der Mann, dem man den Schalk schon von Weitem ansah, den jeder gemocht hatte und der eine unstillbare Sehnsucht nach der weiten Welt hatte. Er trug jetzt andere Kleidung als früher, einen bunten Mix aus Orientalischem oder Indischem, so genau konnte das Albert nicht sagen. Nur dass es ihm gut stand.
    »Hallo, Albert!« Georg setzte sich zu ihm ans Bett. »Mich hättest du hier nicht erwartet, was?«
    Albert lächelte. »Nein.«
    Georg tätschelte Alberts Hand und sagte: »Meine Güte, ist das lange her: ein halbes Leben!«
    »Ja …«, seufzte Albert, der froh war, ihn noch einmal zu sehen.
    Georg sah sich im Zimmer um: »Tja, und jetzt sind wir hier, zusammen, wie früher.«
    Albert schwieg einen Moment, dann fragte er: »Sind wir das wirklich?«
    »Aber natürlich, Albert. Du und ich.«
    Albert blickte nach draußen: Der Schnee fiel wieder. Die Welt drehte sich weiter. Wie oft sie das wohl getan hatte in den letzten fünfunddreißig Jahren? Wie viele Bilder hatte sie dabei produziert, während Albert jeden Tag in seinem kleinen Büro gesessen hatte? Milliarden? Billionen? Seines hingegen war immer gleich gewesen: Die Jahre waren vergangen, nur sein Haar war grauer geworden, sein Gesicht faltiger … Klick! Klick! Klick! Die Welt war ein kleines Büro mit einem stillen Mann.
    Er wandte sich wieder Georg zu: »Was machst du hier?«
    Georg sah ihn erstaunt an: »Ich besuche einen Freund.«
    Albert freute sich über die Antwort und spürte plötzlich, wie sehr er Georg vermisst hatte. Tatsächlich war er der einzige Freund, den er je gehabt hatte, und ihn hier zu sehen, bedeutete ihm viel.
    »Und? Wie ist es dir ergangen?«, fragte Albert.
    Georg lächelte: »Du hast mir die Welt geschenkt, Albert, und dafür werde ich dir ewig dankbar sein.«
    »Viel erlebt, hm?«
    »Ja. Sehr viel.«
    Er hielt einen Moment inne, dann tätschelte er Alberts Hand. »Aber weißt du was? Nach allem, was ich gesehen habe, nach allem, was ich erlebt habe, wen ich gekannt und geliebt habe – zum Schluss hatte ich nur noch einen Gedanken: dich zu sehen. Mit dir hat alles angefangen, das habe ich nie vergessen.«
    »Erstaunlich«, antwortete Albert.
    »Nein, mein Freund, gar nicht erstaunlich. Wir sind wieder zusammengekommen, aber eigentlich waren wir nie getrennt. Wir waren nur an verschiedenen Orten.«
    Albert dachte darüber nach und hatte das Gefühl, dass es kaum einen Tag gegeben hatte, an dem er nicht – und wenn auch nur sehr kurz – an Georg gedacht hatte. Sie hatten keinen Trennungsschmerz gespürt, weil sie wussten, dass sie eines Tages wieder zusammenfinden würden. Ja, so war es tatsächlich! Er hatte immer gewusst, dass Georg zurückkommen würde.
    »Und jetzt bist du wieder da. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil die Überweisungen zurückgekommen sind und ich keine Nachricht von dir bekommen habe.«
    Georg erhob sich von Alberts Bett, trat ans Fenster und sah hinaus in die Schneenacht: »Wirklich? Keine Nachricht?«
    Albert war ein wenig irritiert, versuchte sich zu erinnern, wann Georg ihm eine Nachricht hatte zukommen lassen, aber es fiel ihm nichts ein. Nichts Ungewöhnliches. Außer E 45 vielleicht, der Antrag. Sein Antrag. Aber das konnte doch nicht sein. Oder doch? Aufgetaucht war E 45 etwa zu der Zeit, als Alberts Zahlungen nicht mehr akzeptiert wurden. Sicher ein Zufall … oder nicht?
    Georg trat hinter die Staffelei und betrachtete das Bild, das Anna begonnen hatte zu malen. Offenbar gefiel ihm, was er sah, sein Gesicht wirkte für einen Moment ganz entrückt.
    »Wie ich sehe, bist du nicht mehr allein?«
    Albert nickte: »Anna.«
    Georg betrachtete das Bild und sagte: »Das ist schön.«
    Dann kam er zurück an Alberts Bett und gab ihm die Hand: »Ich muss jetzt gehen, Albert.«
    »Bleib doch noch ein bisschen«, bat Albert.
    »Wir sehen uns bald wieder. Ich warte auf dich, und dann werden wir uns alles erzählen.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen, mein Freund.«
    Sie lächelten einander an. Ein halbes

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