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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Izquierdo
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waren es im August bereits vierzehn, im September siebenundzwanzig und im Oktober dreiundvierzig. Gelang es, ein Büro auszuheben, so öffnete an anderer Stelle ein neues. Und weil alle neuen Heilsbringer durch ihren Status unkündbar waren, machten sie sich einen Spaß daraus, ihre Verfolger an der Nase herumzuführen, sich im Querulantentum zu üben und andere Beamte, unschuldige, gewissenhafte und dienstwillige Männer und Frauen, zu verführen, bei ihren Spielchen mitzumachen. Das wiederum veranlasste die Gegenseite, in ihren Maßnahmen immer drastischer zu werden, Versetzungen nicht nur anzudrohen, sondern sie auch durchzusetzen, abzumahnen, ganz gleich ob gerechtfertigt oder nicht, und Beförderungen auf Eis zu legen. Beide Seiten waren völlig überzeugt davon, im Recht zu sein, beide Seiten kämpften hart für ihre Sache.
    Denn es ging ihnen ums Prinzip.
    Es war eine Frage des Prinzips.
    Und vor allem: Es durfte nur ein Prinzip geben.
    Das Spiel verselbstständigte sich, löste sich vom ursprünglichen Grundgedanken und trat in eine neue Phase ein, in der stellvertretend all die ungeklärten, unterschwelligen und unerfüllten Ängste und Wünsche auf einem ganz neuen Spielfeld gegeneinander angeführt wurden.
    Es ging um Macht und Ohnmacht, um Auflehnung und Unterordnung, um Ehrgeiz und Ignoranz, um Freiheit und Räson, um Mutwilligkeit und Ordnung, um Disziplin und Disziplinlosigkeit, um Eskalation und Deeskalation, um Statistik und Menschlichkeit, um Chauvinismus und Feminismus, Pluralismus und Dogmatismus … ja, man konnte sagen: Es ging um fast jede denkbare Form irgendeines -ismus . Nur um die eigentliche Sache ging es plötzlich nicht mehr: Glück.
    Sie stritten verbissen, nur hatten sie vergessen, warum sie das eigentlich taten, denn so vieles war hinzugekommen, so vieles verwässert oder angereichert oder erweitert worden, dass sie jetzt auf einem Feld spielten, dessen Linien sie nicht mehr sahen. Es gab faktisch keine Grenzen mehr: Alles war möglich und damit letztlich gar nichts.
    Nur einer kämpfte nicht: Albert Glück.
    Er saß jeden Morgen in seinem Büro, während draußen die Schlange immer länger wurde, und tat seine Arbeit. Er wusste nichts von Wehmeyers Einsatz und spürte nichts von Sommerfeldts Hass. Er wusste auch nichts vom Streit der beiden Parteien, der um ihn herum tobte, oder von der Gefahr für die Nation, die von ihm ausging, ja, er wusste nicht einmal, dass er das Herz einer Bewegung war, die er niemals hatte gründen wollen und zu der er sich auch nicht zugehörig gefühlt hätte. Albert verfolgte keine Ideologie, hing keinem -ismus an und kümmerte sich nicht um Strategien.
    Er half.
    Das war schon alles.
    Zusammen mit Susanne, der Bürohilfe, warf er sich jeden Morgen in die Antragsfluten und zerrte einen nach dem andern aus dem tiefen Wasser ans Land. Albert arbeitete, als würde es um sein Leben gehen, und das tat es ja schließlich auch. Seine Tage waren so ausgefüllt, dass er gar nicht mehr an das kleine Gespenst dachte, das in seinem Kopf heranwuchs.
     Abends plante er erschöpft, aber glücklich mit Anna ihr gemeinsames Haus, sichtete Grundstücke im Internet, beauftragte Makler, machte sich Gedanken über Bodenbeläge, Licht und Sanitäranlagen, sodass er schließlich ganz vergaß, dass ihm eigentlich die Zeit davonlief.
    So kam der November mit kalten, nassen Tagen und Albert war, als wäre eben noch Frühling gewesen, mit Blütenstaub und Vogelgezwitscher, doch die muffigen Mäntel der Wartenden sprachen ein andere Sprache. Alles war wieder grau geworden: der Himmel, die Straßen, die Kleidung und die Gesichter. Nur Albert nicht, denn er hatte sich angewöhnt, stets etwas Buntes zu tragen: eine Krawatte, eine Weste, ein Paar Socken. Und immer, wenn er in den Pausen draußen die kahlen Bäume und das modrige Laub sah, hing er in Gedanken seine Krawatten, Westen oder Socken an die Zweige. Das wirkte so echt, dass er manchmal jemanden neben ihm einfach anstieß und nach draußen zeigte: Sehen Sie sich das mal an! Sie folgten seinem Finger, sahen aber nichts als kahle Bäume und hofften seufzend auf den Frühling.
    Albert nickte dann zustimmend: Frühling. Genau.
    Susanne klopfte leise an seine Tür und tippte lächelnd mit dem Finger auf ihre Armbanduhr. Er stand auf und schloss das Büro.
    »Meine Damen, meine Herren!«, rief er den Flur hinab zu den Menschen, die geduldig auf ihn warteten. »Ich muss zu einer Versammlung, daher wird das Büro für etwa eine halbe

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