Das Glücksprojekt
Dackel-Oma durch mein Zuhören die Möglichkeit gegeben habe, alles Schöne noch mal zu erleben.
Die kleinen Dinge genießen
Das sagt sich immer so leicht. Wenn ich das höre, denke ich an dieses Foto, das in allen Frauenzeitschriften gezeigt wird, sobald es darum geht, sich selbst etwas Gutes zu tun: Eine Badewanne, Teelichter und Rosenblätter auf dem Rand, darin eine Frau mit hochgestecktem Haar, die sich genussvoll im Schaumbad räkelt. Darunter steht dann, in was man baden muss, das ist meistens irgendein Lavendel-Aloe-Bio-Kräuterbutter-Öl. Rückfettend und tiefenentspannend. Da ich ja durchaus empfänglich bin für solche Bilder, stehe ich am nächsten Tag in einem hübschen kleinen Laden, in dem sich Fläschchen mit bunten Flüssigkeiten, Salzen und Kugeln in allen Farben tummeln. Ich entscheide mich für eine Gesichtsmaske und ein Ölbad mit Rosenduft, das meine Cellulitis babyweich machen wird, und einen Naturschwamm nehme ich auch noch gleich mit. Wenn ich erst mal in der Wanne sitze, kann ich mir den dekorativ im Nacken ausdrücken. Sogar Rosenblätter besorge ich, es soll genau so werden, wie ich das im Kopf habe.
Am Sonntagabend ist es so weit: Ich habe ein Date mit mir selbst , so heißt das unter uns Spa-Spezialisten. Ich lege eine Zeitschrift auf die Ablage, wo auch die Shampooflaschen stehen, verteile Teelichter und Rosenblätter auf dem Badewannenrand und lasse das dampfende Wasser ein. Mit Rosenölbad. Es schäumt leider nicht, dafür riecht es ganz gut. Sehr hübsch sieht das aus. Mit hochgestecktem Haar steige ich in die Wanne, liege ein bisschen herum und fahre mit dem Naturschwamm die Arme und Beine auf und ab. Das macht aber nur kurz Spaß. Ich angle mir die Zeitschrift und fange mit zusammengekniffenen Augen zu blättern an, Teelichter machen ja gar nicht so viel Licht, wie man glaubt. Mit dem Ellbogen stoße ich aus Versehen eins von ihnen auf den Boden, der Badvorleger ist jetzt voller Wachs, zum Glück hat er nicht Feuer gefangen. Erleichtert lege ich mich zurück. Während sich die Haarspange in meinen Hinterkopf bohrt, bemerke ich, wie die Körperteile, die nicht im warmen Wasser liegen, recht zügig erkalten. Unangenehm ist das und ich gebe dem Drang nach, einen Arm ins Wasser zu tauchen. Die nasse Hand befeuchtet sogleich den rechten Teil der Zeitschrift, sodass die sich nicht mehr blättern lässt. Es wird kühler im Wasser. So richtig entspannend finde ich das nicht, denke ich und schubse ein paar verschrumpelte Rosenblätter ins Wasser. Dann wird es doch noch recht aufregend: Haben Sie jemals versucht, Badeöl aus Ihren Haaren zu kriegen? Da können Sie sich dreimal den Kopf mit Shampoo waschen, es sieht immer noch so aus, als würden Sie am Miss-Fettige-Haare-Wettbewerb teilnehmen. Und gewinnen. Wenn Sie dann aus der Wanne steigen und mit Handtuch auf dem Kopf so richtig in Fahrt sind, können Sie gleich weitermachen und versuchen, den Ölfilm, in dem Ihre ganzen abrasierten Beinhaarstoppeln kleben, vom Badewannenrand zu entfernen. Und erschrecken Sie nicht über die blutigen Stellen überall an Ihrem Körper: Das sind nur die matschigen Rosenblätter, die an Ihrer Haut bippen. So genervt bin ich noch nie aus dem Bad gekommen.
Im Wohnzimmer sehe ich L. mit einem Glas Wein auf dem Sofa lümmeln, er guckt Tatort und tätschelt Schmitz den Kopf, der gebannt das Geschehen im Fernseher verfolgt. Ein Bild der Harmonie und des Friedens. Irgendwas läuft hier falsch.
Nach der Badewannenpleite sehe ich ein, dass mir die Bilder von außen überhaupt nichts bringen. Ich kann getrost auf eine Massage mit heißen Steinen verzichten, auch wenn das anscheinend die Krönung eines jeden Verwöhnprogramms ist. Ich will auch kein Frühstück im Bett, ein Inbegriff deutscher Wohlfühlkultur. Bei dem Gewackel fällt nur der Kaffee um, die Toastbrösel landen im Bett und der Honig tropft aufs Seidenhemdchen. Ein Tisch ist ein sehr guter Platz, um zu essen, Punkt. Auf dem Tisch hingegen wollen die Leute dann gerne Sex haben – wahrscheinlich, weil das Bett voller Toastkrümel ist.
Es dauert ein paar Tage, bis ich auf ein paar kleine Dinge stoße, die ich wirklich, wirklich genieße. Ich komme darauf, indem ich an Sachen denke, die mich stören und die ich gerne ändern möchte:
Bettsocken. Solange ich denken kann, habe ich beim Ins-Bett-Gehen kalte Füße. Ich schlupfe ins Bett und reibe meine Eisfüße: am Betttuch, aneinander und an L. Es ist ein Elend mit meinen kalten Füßen, aber ich habe
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