Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Glücksprojekt

Das Glücksprojekt

Titel: Das Glücksprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Reinwarth
Vom Netzwerk:
das immer als gegeben hingenommen. Ist ja ein Klassiker, Frauen haben kalte Füße. Um nicht 50 Euro für Kamelhaar-Angora-Kaschmir-Vollplüschsocken zu zahlen, habe ich das etwas vereinfacht und nehme als Bettsocken – Achtung, festhalten – Socken. Ganz normale Socken. Ich weiß, Bettsocken hört sich jetzt nicht nach einer großen Nummer an, aber ich freue mich ungelogen jeden einzelnen Abend, wenn ich ohne zu frieren mit meinen besockten Füßen im Bett liege.
Analoge Kamera. Ich habe seit Jahren eine Digitalkamera. Die sind schon praktisch, die Dinger. Aber es gibt so Sachen, bei denen ist es irgendwie schade, dass sie verschwunden sind. Mit den analogen Kameras ist das Geräusch verschwunden, das der Film machte, wenn er voll war. Dieses ächzende Jeiern. Und die Spannung, was wohl auf den Bildern zu sehen sein würde, nachdem man den gleichen Film Wochen oder sogar Monate in der Kamera hatte. Die Digitalkameras haben auch die Fotoalben dahingemeuchelt. Beziehungsweise diese Pappkartons, in denen man seine Fotos aufbewahrte, weil Fotoalben spießig und doof waren. Über diesem Karton ließ sich wunderbar ein trüber Tag verbringen. Man kramte in Erinnerungen, entdeckte ein bisschen Wehmut. Auf dem Boden sitzend, ein Foto in beiden Händen, hing man Gedanken und Bekanntschaften nach. Das geht nicht vor einem Computer. Man kann nicht wehmütig klicken. Darum habe ich mir eine billige analoge Kamera gekauft. Und wenn ich die Bilder vom Entwickeln abholen gehe, ist das ein Freudentag.
Musik. Die Musik hatte ich fast vergessen. Sie ist im Laufe der Jahre unwichtiger geworden. Ich liege heute nicht mehr einen Nachmittag lang vor der Anlage auf dem Boden und höre ein Album so lange, bis ich es komplett mitsingen kann. Ich heule nicht mehr, nur weil meine Heulballade irgendwo läuft. Und wenn ich mich abends fertigmache, um mit L. auszugehen, springe ich auch nicht mehr zu »Girls just wanna have fun« durch die Wohnung wie ein Flummi. Wieso eigentlich nicht? Ich fand das saulustig, wie ist mir denn die Musik verloren gegangen? Wahrscheinlich irgendwo zwischen pseudointellektueller Ernsthaftigkeit, einer chronisch hängenden Mechanik der CD-Schublade in der ansonsten tadellosen Anlage und wahrscheinlich hat die Umstellung Schallplatte → CD → iPod ihr Übriges getan. Bei jeder Umstellung hatte ich weniger und weniger Lieder greifbar. Und ich wollte mich auch nicht damit beschäftigen, Musik war so unwichtig geworden. Derweil schafft Musik es, uns innerhalb von Sekundenbruchteilen traurig, melancholisch oder heiter zu stimmen – wer kann das sonst schon?
    »Musik macht, dass es doppelt so weh tut, Musik macht, dass es nicht mehr so schmerzt; sie ist die Todsucht und ist meine Besinnung, wenn sie mir in die Seele fährt.« Das hat der Musiker Ingo Pohlmann gesagt. Schön, nicht? »Und wir lesen in den ältesten Liedern unsere neuesten Träume und kommen immer wieder zu ihr zurück, um abzutauchen und Luft zu holen …«
    Ich mache die Probe aufs Exempel und kaufe bei iTunes sein’ Laden meine Heulballade. Gucken Sie nicht so, jeder Mensch hat eine Heulballade. Welche ist Ihre? Meine ist »Hallelujah«, gesungen von Jeff Buckley. Ich habe das Lied ewig nicht gehört. Was soll ich sagen, bei den ersten Klängen der Gitarre stellt es mir die Haare an den Armen auf und als seine Stimme einsetzt, habe ich schon einen Teich in den Augen. Ich singe mit geschlossenen Augen laut mit und wiege mich im Takt, wie konnte ich dieses Lied so lange nicht hören? Das Lustige ist: Ich habe keine Ahnung, was der Text in diesem Song sagen will, er ergibt für mich überhaupt keinen Sinn:
Well, I heard there was a secret chord
    that David played and it pleased the Lord
    But you don’t really care for music, do ya?
    Well, it goes like this:
    The fourth, the fifth, the minor fall and the major lift
    The baffled king composing Hallelujah
    Hallelujah Hallelujah Hallelujah Hallelujah …
Erst jetzt habe ich gehört, dass es einen verborgenen Akkord gibt, den David gespielt hat und der Gott ehrt
    Aber Musik interessiert dich nicht wirklich, oder?
    Es hört sich so an:
    Subdominante, Dominante, Moll zieht runter, Dur erhebt
    Der rätselhafte König erschuf Hallelujah
    Hallelujah Hallelujah Hallelujah Hallelujah …

Well, your faith was strong but you needed proof
    You saw her bathing on the roof
    Her beauty and the moonlight overthrew ya
    And she tied you to her kitchen chair
    She broke your throne and she cut your hair
    And from your

Weitere Kostenlose Bücher