Das Glücksprojekt
wie aufgeben, da ist es nicht weit bis zu Verlust, Armut, Verfall und Tod. Geld spenden kann ich hingegen wie Bill Gates. Nicht so viel, aber so gerne. Weil ich überweisen kann und das Geld somit nicht reell existent ist, sondern eine Zahl auf dem Konto. Das geht. Aber Geld, das ich physisch in der Hand halte, wegzugeben – da jammere ich wie eine Mutter, die ihr Kind das erste Mal in die Krippe gibt. Die Miete für unsere letzte Wohnung beispielsweise, die mussten wir unserer Vermieterin monatlich bar in die Hand geben. Obwohl die Miete günstig war, habe ich unsere Vermieterin allmählich gehasst dafür. Nach einer unschönen Szene, in der ich um ein Haar die Scheine nicht losgelassen hätte, erledigte L. diese Übergaben.
Wenn mich jemand auf der Straße anschnorrt, kommt sich diese Eigenschaft ins Gehege mit zwei anderen liebenswerten Eigenschaften: Empathie und »Nicht-Nein-sagen-Können«. Dieser Konflikt geht mir so auf den Keks, dass ich auf den Schnorrer sauer bin, noch bevor der den Mund aufgemacht hat. Das Problem ist aber nicht der Schnorrer, das Problem bin ich. Wann bin ich denn überhaupt großzügig? Okay, Spenden: One point. Und sonst? Wenn im Supermarkt jemand mit einem Brot oder Waschmittel hinter mir steht, dann lasse ich den vor. Aber das macht jeder, oder? L. findet, ich gehe großzügig mit meiner Zuneigung um. Die verteile ich, als bekäme ich was dafür. Und ich bekomme ja auch was dafür: Sie wird erwidert.
Ich beschließe, am nächsten Samstag während meines Bummels durch die Stadt jedem, der mich danach fragt, Geld zu geben. Mal sehen, ob sich da eine glückliche Regung zeigt. Damit wir uns richtig verstehen: Kleingeld. Ich suche die 1-, 2- und 5-Cent Stücke aus dem Topf auf der Anrichte, aber L. klärt mich auf, dass alles unter 10 Cent nicht geht. Komisch, denke ich, dass Geld zu wenig sein kann, um es geschenkt zu bekommen. Am nächsten Morgen verstaue ich das Kleingeld in meinen Hosentaschen und fahre in die Stadt. Während ich mit dem Auto die relevanten Straßen auf der Suche nach einem Parkplatz abfahre, passieren zwei Dinge:
Ein dicker Mercedes fängt an, vor mir auszuparken, und hinterlässt eine genügend große Parklücke, sodass sogar ich reinkomme.
Mir fällt die Übung zu Großzügigkeit im Buddha-Buch ein: Die rät, ganz bewusst einen frei werdenden Parkplatz dem Autofahrer nach mir zu überlassen und mich zu freuen, Großzügigkeit üben zu können.
In einer Art geistiger Kurzschlussreaktion überlasse ich tatsächlich dem roten Golf Cabrio hinter mir den prächtigen Parkplatz. Was soll ich sagen – der Arsch bedankt sich noch nicht einmal! Ich freue mich ü-ber-haupt nicht, ich bin stocksauer! Wie blöd ist das denn: Am Samstagvormittag in der Stadt einen Parkplatz zu verschenken. Wahrscheinlich hat der sich gedacht, ich blindes Huhn habe den Parkplatz nicht gesehen! Ich habe gute Lust auszusteigen und dem Idioten ordentlich die Meinung zu sagen, nämlich, dass er diesen Parkplatz ausschließlich meiner grenzenlosen, beschissenen Großzügigkeit zu verdanken hat! Aus Rache an der Welt gehe ich in der Stadt als Erstes einen Kaffee trinken und bezahle ihn aus der Kleingeldtasche. Die erste Gelegenheit, Geld loszuwerden, kommt auf der Terrasse des Cafés auf mich zu. Eine kleine Punkerin mit ihrem Hund. Der Hund hat die bessere Frisur. »Haste vielleicht mal ’ne Mark?«
»Mark? Die gibt’s doch gar nicht mehr«, wundere ich mich. »Na dann n’ Euro.« Und das finde ich jetzt echt viel. »Ein Euro? Das sind ja zwei Mark!«
»Na wenn’s Mark nicht mehr gibt, sind das auch keine zwei Mark.« Ich suche mit meiner Hand in der Hosentasche und fische ein 50-Cent-Stück heraus. »Verbindlichsten«, sagt sie und geht mit meinen hart erarbeiteten 50 Cent davon. Ich horche, was sich da regt in mir. Dieses Gefühl, das sich da in mir rührt, kenne ich. Das ist kein Glücksgefühl, das ist waschechte Trauer.
Der Nächste, dem ich Geld geben kann, ist ein Straßenmusiker. Ein junger Typ mit schwarzen Locken und Gitarre, vor ihm sein geöffneter Gitarrenkoffer mit blauem Samt ausgeschlagen. Sieht hübsch aus, Münze auf blauem Samt. Der Typ auch. Drei, vier Leute bleiben stehen, gehen weiter, es kommen neue und ich stelle mich dazu. Besser, ich höre ein bisschen zu, bevor ich mein Geld reinschmeiße, dann ist das mehr eine Würdigung seiner Künste als ein Almosen. Nach zwei Liedern krame ich nach ein paar Münzen und trete vor, um sie in den Koffer zu werfen. Ich stehe
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