Das Glücksprojekt
beobachten / jemandem einen Kuchen backen / ein Instrument lernen / Bonbons in den Jackentaschen von Freunden verstecken / sich bei einer Veranstaltung vorstellen, man müsse gleich eine Rede halten, sich in ein schönes Lampenfieber hineinsteigern und dann freuen, dass man sich das nur eingebildet hat / ein Stück Blech an die Außenmauer unter das Schlafzimmerfenster dübeln und sich freuen, wie das klingt, wenn es regnet.
Ich bin dann mal wallfahren
Man muss nicht mehr auf den Knien durch die Altstadt von Altötting rutschen, um wallzufahren. Der Trend geht zur Pilgerreise im schönen Südfrankreich oder im pittoresken Nordspanien. »Ich bin dann mal weg«, sagte Hape Kerkeling und machte damit den Jakobsweg zum Treffpunkt für Schwaben und alle, die so aussehen. Ein Wanderweg mit Sinn-des-Lebens-Patina.
Auch Lourdes kann mich nicht begeistern, ich würde mehr die Inbrunst der echten Pilger besichtigen als die Gottesmutter in ihrem Höhlenloch. Nach Mekka darf ich nicht, was an und für sich die Sache natürlich reizvoll macht, aber auch nicht ungefährlich. Die verstehen da ja keinen Spaß mit ihrer Religion. Auch verspüre ich kein Bedürfnis, mich den gläubigen Elvis-Anhängern anzuschließen, um nach Graceland zu pilgern, oder Teil der größten Wallfahrt der Welt zu sein (20 Millionen Pilger jährlich), die in Guadalupe, Mexiko, stattfindet. Das muss man sich mal vorstellen: Da fahren jedes Jahr 20 Millionen Christen in einen Vorort von Mexiko-Stadt, weil einem Indio im Jahr 1531 dort angeblich die Mutter Maria erschienen ist!
Ebenfalls in Mexiko gibt es die Tradition der Huicholes, ein Volk von Bergbauern, die jährlich eine Gesandtschaft auf eine 550 Kilometer lange Reise schicken, um eine Ration Peyote-Kakteen zu besorgen. Die Wirkung der Kakteen wird so beschrieben: Man sieht intensive Farben und kristallklar, man sieht geometrische Formen und Objekte, bunte Feuerräder, Ströme farbigen Lichts, Funken wie Edelsteine. Man hört Musik, fühlt Euphorie und Seligkeit, die Gedanken sind lebhaft, die Denkarbeit ist schneller, reibungsloser, müheloser. Verantwortlich im Kaktus ist das Alkaloid Mescalin, das beim Menschen Visionen und Halluzinationen hervorruft – Marienerscheinungen in Mexiko? Ja nee, ist klar.
Wallfahrten gibt es in allen Religionen, sie sind eine der ganz großen Gemeinsamkeiten. Aber worum geht es bei einer Wallfahrt? Wikipedia sagt: Der Aufenthalt am fremden heiligen Ort imaginiert vielen Menschen bisher verschlossene Bereiche ihres Seelenlebens und ihrer Gefühle.
Ja, da ist bestimmt was dran. Allerdings setzt das voraus, dass man den Ort für heilig hält beziehungsweise, dass einem überhaupt irgendwas heilig ist. Warum wallfahren wichtig für das Glück ist, erklärt das Schweizer Monatsmagazin Das Magazin so: »Weil Sie unbedingt Ihr Ego auf Normalmaß bringen müssen. Körper und Seele leiden, wenn man nicht ab und zu vor etwas Größerem niederkniet als sich selbst.« Das klingt vernünftig, finde ich: Nun denn, fahre ich wall. Für jemanden wie mich, die ich den Religionen so gar nichts abgewinnen kann, empfehlen sich andere Orte als die klassischen Wallfahrtsorte. Orte, an denen zwar keine Marienstatue steht, aber an denen einem klar wird, dass man sich viel zu wichtig nimmt. Orte, die die Bedeutung der eigenen Person wieder in das richtige Verhältnis rücken.
Ich überlege, welcher Ort mir das vermitteln könnte. Die Ausstellungsorte klassischer Kunst werden mir empfohlen, aber ich kann mich an einen Besuch vor ein paar Jahren im Prado in Madrid erinnern: Es sind Werke von Velázquez, Goya, Dürer, Rembrandt, Botticelli und vielen anderen zu bewundern, jede Menge Bilder, die man von Fotos kennt, hängen da im Original und beeindrucken. Allerdings war ich recht schnell erschöpft vom Bewundern und suchte, zusammen mit einer spanischen Grundschulklasse, im »Garten der Lüste« von Hieronymus Bosch nach den spektakulärsten Szenen.
Architektonisches mag mich auch bewegen, ich stand minutenlang gebannt vor der alten Fassade der Sagrada Familia in Barcelona. Aber heilig wurde mir nicht. Nein, um mein Ego zurechtzurücken, bedarf es etwas Größeres, da muss schon etwas Hau-mir-ab-Hammermäßiges daherkommen. Und ich glaube, ich habe es gefunden: das letzte erhaltene Weltwunder der Antike. Die Pyramiden von Gizeh. Die könnten es mit meinem Ego aufnehmen.
Die Pyramiden kennt fast jeder Mensch:
Malen Sie das in den Sand und jeder weiß, was gemeint ist. Es war ja auch
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